Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
Foto.
»Irgendwelche Gespenster aus der Vergangenheit, die wieder aufgetaucht sind?«, fischte Sjöberg weiter im Trüben.
Molin saß schweigend da und dachte ein paar Sekunden lang nach, aber dann schüttelte er den Kopf.
»Wir haben uns mit zwanzig kennengelernt, und in all den Jahren ist er nie in irgendwelche Streitereien verwickelt gewesen. Er hat … hatte eine ziemlich furchtbare Mutter, die manchmal ganz schön Ärger machen konnte, aber er konnte mit ihr umgehen.«
»Welche Art von Ärger zum Beispiel?«
»Sie schneite manchmal betrunken hier ins Büro herein und fluchte und krakeelte, aber es ist ihm jedes Mal gelungen, sie zu beruhigen. Man kann sagen, dass sie ein Alkoholproblem hatte – und finanzielle Probleme und Beziehungsprobleme und alle anderen erdenklichen Probleme anscheinend auch. Aber er half ihr, soweit es in seiner Macht stand, mit Geld und auch anders. Seine Kindheit ist wohl nicht gerade die glücklichste gewesen.«
»Was glauben Sie, wie war seine Kindheit?«
»Einen Vater scheint es nie gegeben zu haben. Zumindest kannte er ihn nicht. Die Mutter trank eine ganze Menge und brachte dauernd irgendwelche Kerle mit nach Hause. Einige von ihnen blieben eine Weile und wollten Stiefvater spielen, aber Hans mochte sie nicht, und sie mochten ihn wohl auch nicht – oder kümmerten sich zumindest nicht um ihn. Wahrscheinlich soffen sie auch. Sie sind oft umgezogen. Hans war wohl ein ziemlich aggressives Kind. Schwänzte die Schule, war oft in Schlägereien verwickelt und hat einem Klassenkameraden sogar einmal einen Arm gebrochen. Am Ende beschloss er, in Norrköping zu bleiben und aufs Gymnasium zu gehen, während die Mutter nach Malmö umzog. Damals musste er ganz für sich allein sorgen, und das schaffte er auch. Ich glaube, dass das für ihn sozusagen die Wende in seinem Leben war.«
»Ich möchte mir gerne seinen Schreibtisch anschauen«, sagte Sjöberg. »Sie können in der Zwischenzeit ja noch einmal nachdenken, vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein, was ein wenig Licht in die Ermittlungen bringen könnte.«
»Klar, selbstverständlich«, antwortete Molin und kehrte an seinen Platz zurück, wo er mit verzweifelter Miene seinen überquellenden Schreibtisch musterte.
Sjöberg untersuchte systematisch den Inhalt von Vannerbergs Schreibtischschubladen, fand aber nur diverses Büromaterial. Lustlos blätterte er in ein paar Ordnern mit Verkaufsobjekten herum, ohne dass er etwas finden konnte, was für die Mordermittlungen oder für ihn persönlich von Interesse gewesen wäre. Schließlich schaute er den kompletten Terminkalender durch und versuchte, die Handschrift des toten Mannes zu entziffern. Er stellte fest, dass dieser Terminkalender nur solche Termine enthielt, die mit der Arbeit zu tun hatten oder zumindest während der Arbeitszeit stattfanden. Manchmal stand dort »Besichtigung«, gefolgt von einer Adresse, manchmal gab es einfach nur eine Adresse oder eine Adresse mit einem Namen. Hin und wieder stieß er auf einen Zahnarzttermin, einen Friseurbesuch, eine Autoinspektion. Woran er schließlich hängen blieb, war eine Besichtigung, die laut Eintrag drei Monate zuvor stattgefunden hatte: »Besichtigung, Åkerbärsvägen 13«, stand dort geschrieben.
»Was ist das für ein Termin?«, fragte Sjöberg. »Eine Besichtigung am fünfzehnten August im Åkerbärsvägen 13?«
Molin schaute ihn fragend an, machte eine halbe Drehung mit seinem Stuhl und nahm einen Ordner aus dem Regal, das hinter ihm stand.
»Schauen wir mal nach …«, murmelte er und blätterte zielstrebig in dem Ordner. »Da ist es …«
Er stand mit dem aufgeschlagenen Ordner in den Händen auf, ging die wenigen Schritte zu Sjöberg hinüber und legte ihn vor ihm auf den Tisch.
»Das ist eine Immobilie, die ich verkauft habe«, sagte er nachdenklich. »Ich frage mich, warum diese Besichtigung in Hans’ Terminkalender stand.«
Er schaute von der Objektbeschreibung zum Terminkalender.
»Jetzt weiß ich!«, rief er und deutete mit dem Finger auf die Zeile darunter. »Hans wollte später am Nachmittag ein Wochenendhaus bei Nynäshamn besichtigen, zusammen mit einem Sachverständigen und einem Käufer, und er meinte, die Zeit wäre zu knapp, um beide Termine wahrnehmen zu können. Normalerweise betreut er sämtliche Objekte in dieser Gegend, weil er in der Nähe wohnt, aber diese Besichtigung habe ich dann übernommen.«
»Aber ist das nicht seltsam …«, begann Sjöberg, wurde aber sofort von Molin
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