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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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Locken fielen ihm in die Stirn, und wenn er lächelte, bildeten sich auf eine gewinnende Weise Fältchen um seine Augen.
    »Ja, so sieht es aus«, sagte Petra und erwiderte sein Lächeln.
    »Ich bitte um Entschuldigung, ich wollte euch nicht belauschen, aber ich habe ein wenig von eurem Gespräch mitbekommen, und da ich mich in der Thematik auskenne, konnte ich nicht anders als zuzuhören. Möchtest du dich darüber unterhalten, oder willst du lieber ungestört hier sitzen?«
    Der Mann wirkte aufrichtig freundlich, und die Tatsache, dass er sozusagen gestand, heimlich gelauscht zu haben, verlieh ihm zusätzliche Glaubwürdigkeit. Er hatte blaue Augen und einen dichten Haarschopf, der vermutlich jeden Mann in seinem Alter neidisch machte.
    »Nein, wir können uns gern ein bisschen unterhalten«, sagte Petra. »Aber ich muss bald nach Hause«, fügte sie sicherheitshalber hinzu.
    »Ja, das muss ich auch«, sagte der Mann. »Ich muss morgen arbeiten.«
    Er machte keine Anstalten, näher an sie heranzurücken, sondern blieb auf seinem entfernten Platz an der Theke sitzen, als er sagte:
    »Der Libanon ist ein wunderbares Land. Weißt du, dass man im Mittelmeer baden und am selben Nachmittag mit einem fantastischen Liftsystem Ski fahren kann?«
    »Davon habe ich wohl schon gehört, aber dass es so nah beieinanderliegt, war mir nicht bewusst«, gab sie zu.
    »Doch, doch, in Faraya-Mzaar gibt es so an die vierzig Pisten, und die Aussicht von dort ist unglaublich. Auf der einen Seite hat man das Bekaa-Tal, und von der Piste aus kann man bei klarem Wetter sogar Beirut sehen.«
    »Dann sollte man also dorthin fahren, wenn man sich nicht entscheiden kann, ob man Bade- oder Skiurlaub machen will«, lachte Petra.
    »Absolut. Aber nicht im Augenblick. Prost.«
    Petra antwortete mit einem Nicken und trank einen Schluck Bier.
    »Du weißt also einiges über diesen Krieg?«, sagte Petra.
    Er nickte und stellte sein Glas vor sich ab.
    »Dann darfst du mich aufklären. Ich scheine just an dieser Stelle eine Bildungslücke zu haben.«
    »Natürlich. Als die Welt noch jung war – was noch nicht allzu lange her ist …«

    Petra fiel erst jetzt auf, dass sie sich über einen Abstand von mehreren Metern eher rufend miteinander unterhielten, und bat ihn, näher zu rücken. Der Mann musste über die Komik der Situation lachen, nahm sein Weinglas und seine Jacke und zog auf den Hocker um, auf dem Jamal gerade noch gesessen hatte.
    »Peder«, sagte er und streckte ihr seine Hand entgegen. »Peder Fryhk.«
    »Petra«, sagte Petra und nahm seine Hand.
    »Tja, also die beiden Unruheherde – Israel und Libanon – waren in den zwanziger Jahren eigentlich nur Sandkastenprojekte irgendwelcher Narren in Europa, die in einer Art historisch-religiös-romantischem Taumel die Idee hatten, Gebiete von großer archäologischer Bedeutung für sich abzustecken. Nach der Aufteilung des osmanischen Reichs wurde Syrien ein französisches Völkerbund-Mandat.«
    »Nach dem Ersten Weltkrieg also?«, sagte Petra.
    »Nach dem Ersten Weltkrieg. Die französischen Kolonialisten kümmerten sich vor allem um die sogenannten Maroniten – die Katholiken waren – im Libanon-Gebirge, dem alten phönizischen Küstenland in Syrien. Anfang der zwanziger Jahre zeichneten die Franzosen also ein paar Linien in eine Landkarte, wodurch der Libanon plötzlich ein christlich-europäisches Land inmitten der islamischen Welt wurde. Als der Libanon 1943 selbstständig wurde, wurde die politische Macht zwischen Christen und Moslems und noch ein paar anderen aufgeteilt. Es war eine Gratwanderung, aber sie funktionierte tatsächlich, bis die Araber beschlossen, in den neuen Staat Israel einzumarschieren.«
    »Wann war das? 1947? 1948?«
    »Das war 1948. Damals strömten palästinensische Flüchtlinge in den Libanon, während gleichzeitig Hunderttausende von Christen das Feld räumten und sich nach Südamerika begaben. Seitdem gibt es im Libanon keine christliche Mehrheit mehr, sondern es ist genau umgekehrt.«
    »Und dann stärkten Frankreich und Israel der christlichen Minderheit den Rücken, während die arabische Welt die Moslems unterstützte?«
    »So ähnlich. Aber es ist in Wirklichkeit noch komplizierter. Ich denke nicht, dass du das wirklich so genau wissen möchtest.«
    Er leerte sein Weinglas und winkte den Barkeeper heran.
    »Try me«, sagte Petra.
    »Okay. Zwei Gläser Rotwein, die Hausmarke, bitte«, sagte er zum Barkeeper und fuhr mit seiner Zusammenfassung fort, während

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