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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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Informationen am nächsten Morgen nicht wie weggeblasen sein würden, und redete sich ein, dass zumindest das Wesentliche hängen geblieben sein dürfte. Zwei Stunden später, als ein weiteres Glas Wein vor ihr stand, wurde ihr bewusst, dass sie dringend auf die Toilette musste. Sie war von dem Monolog des sympathischen Mannes und ihrem – so glaubte und hoffte sie – neuen Verständnis für die Situation ihres Kollegen dermaßen gefangen genommen worden, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse vollkommen vergessen hatte.

    »Wie kommt es, dass du darüber so viel weißt?«, fragte sie, als sie wieder zurück war.
    Auf dem Rückweg von der Toilette hatte sie festgestellt, dass sie nicht besonders betrunken war. Trotzdem hatte sie beschlossen, dass es nach diesem Glas Zeit wäre, nach Hause zu gehen. Drei Bier und zwei Glas Wein innerhalb von fünf Stunden waren kein Problem, aber es war auch genug.
    »Ich habe dort unten gearbeitet«, antwortete Peder. »Es ist zwar lange her, aber ich liebe dieses Land und halte mich über die Entwicklung auf dem Laufenden.«
    »Was hast du dort gemacht?«
    »Ich habe für eine Organisation namens ›Ärzte ohne Grenzen‹ gearbeitet.«
    »›Eine Organisation namens‹«, amüsierte Petra sich über sein Understatement. »Dann bist du ja Friedensnobelpreisträger, verdammt noch mal. Herzlichen Glückwunsch!«
    »So habe ich es nie gesehen, aber ich nehme an, dass du damit recht hast«, sagte Peder fröhlich. »Darauf müssen wir anstoßen.«
    Das taten sie, und Peder hatte noch so manches von den Flüchtlingslagern in Beirut zu erzählen, in denen er gearbeitet hatte. Nachdem Petra direkt danach gefragt hatte, verriet er, dass er inzwischen als Narkosearzt im Karolinska-Krankenhaus arbeitete.
    »Und womit verdienst du dein Geld?«, fragte er daraufhin.
    Petra schämte sich nicht im Geringsten für ihre Berufswahl, aber im Laufe der Jahre hatte sie festgestellt, dass sie hin und wieder über die Reaktion der Leute enttäuscht war, wenn sie diese Frage wahrheitsgemäß beantwortete. Darum hatte sie eine Standardantwort parat, die sie üblicherweise gegenüber Menschen verwendete, denen sie nicht im Dienst begegnete und bei denen sie nicht davon ausging, dass sie sie wiedersehen würde.
    »Ich bin Versicherungsangestellte bei Folksam«, antwortete sie, während sie zerstreut an ihrer Armbanduhr herumnestelte.
    Die Antwort war so uninteressant, dass sie selten weitere Fragen nach sich zog.
    »Da hast du es jedenfalls nicht weit zur Arbeit«, entgegnete Peder lächelnd.
    Petra lächelte zurück und trank den letzten Schluck aus ihrem Glas. Sie stellte fest, dass es mittlerweile fast zwölf Uhr war und sie sich ziemlich müde fühlte. Die Arbeitswoche forderte ihren Tribut, auch wenn sie eigentlich nichts Vernünftiges zustande gebracht hatte. Sie winkte den Barkeeper heran und deutete auf die vierhundert Kronen, die sie in einem hübschen Stapel auf den Tresen gelegt hatte. Das war mehr als genug, Trinkgeld eingeschlossen, das wusste sie.
    »Jetzt ist es an der Zeit, über den Rückzug nachzudenken«, sagte Petra und stieg vom Barhocker.
    »Stimmt«, sagte Peder und kam ihr zuvor, als sie Anstalten machte, ihren Mantel von dem Haken unter dem Tresen zu nehmen.
    Er half ihr hinein und reichte ihr die Handtasche, die sie auf dem Tresen abgestellt hatte, bevor er seine eigene Jacke anzog. Petra hatte im Schuhgeschäft zwanzig Minuten gebraucht, um sich zwischen den etwas schickeren Stiefeln mit den höheren Absätzen oder den nicht so trendigen, aber bequemeren mit den niedrigeren Absätzen zu entscheiden. Am Ende war ihre Wahl auf die modisch aktuelle Variante mit dem höheren Absatz gefallen. Das bereute sie jetzt, als sie mit dem einen Fuß umknickte.
    »Hoppla«, sagte Petra und hatte einen halben Gedanken, der etwas mit Koketterie zu tun hatte.
    »Ich begleitete die Dame zu einem Taxi«, sagte Peder Fryhk und nahm ihren Arm.

TAGEBUCH, NOVEMBER 2006, SAMSTAG
    Es ist halb zwölf. Ein Mann um die sechzig in einer Wildlederjacke mit Pelzkragen und mit karierter Schiebermütze tritt ins Freie. Das Erste, was ich mir anschaue, ist die Hand – und richtig: ein Ring. So verwaltet man also seine Ehe. Viel will noch mehr haben. Ich habe nie jemanden gehabt. Niemanden zum Lieben, niemanden zum Reden, niemanden, um mit ihm zu essen, und niemanden, um mit ihm zu schlafen. Aber heute werde ich mit jemandem reden. Und mit jemandem schlafen.
    Ich drücke auf die Türklingel. Sie öffnet die Tür und

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