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Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman

Titel: Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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selten. Wenn sie lange nichts getrunken hatte, konnte ihr nach dem ersten Bier ganz schön schwummerig werden, und nach dem zweiten war sie dann wieder vollkommen nüchtern.
    Sie saßen noch eine Weile zusammen und unterhielten sich. Petra fragte, welche Pläne Jamal für das Wochenende hatte, aber er antwortete ausweichend und schaute auf die Uhr. Er stellte ihr dieselbe Frage, aber weil sie wie üblich gar nichts geplant hatte, gab es darüber nicht viel zu erzählen. Dann fragte sie ihn zu seiner Meinung zu dem Krieg, der mal wieder im Libanon tobte. Jamal seufzte, und Petra kam ihm zuvor.
    »Ich frage, weil es mich interessiert, nicht weil ich dich aufregen will.«
    »Ja, ja, keine Sorge. Es ist nur so, dass man darüber ohne Ende debattieren kann. Ich bin natürlich gegen den Krieg. Der Libanon hat geblüht, als der Krieg ausbrach.«
    »Warst du mal da?«
    »Ein paar Mal. Unsere Hochzeitsreise haben wir auch dorthin gemacht. Es ist ein fantastisches Land. War ein fantastisches Land.«
    »Aber der Krieg wird doch früher oder später aufhören, oder?«, warf Petra ein.
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Es ist alles sehr kompliziert. Oder sehr einfach, je nachdem, aus welcher Perspektive man es betrachtet. Alle wollen das haben, was ihnen ihrer Ansicht nach zusteht. Und alle haben auf ihre Weise recht.«
    »Aber für wen soll man Partei ergreifen? Zu wem hältst du?«
    »Das ist nicht wie ein Fußballspiel, mit zwei Mannschaften. Du weißt noch nicht einmal, wer mitspielt, oder?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Es gibt mehr als zwei Mannschaften. Die Situation im Libanon ist sehr viel komplizierter als der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Genauso unmöglich zu lösen, aber schwieriger zu begreifen. Die meisten wissen nicht einmal, worum es im Libanon eigentlich geht.«
    »Erzähl mir doch einfach, auf wessen Seite du stehst«, hakte Petra nach.
    »Ich sitze doch einfach nur hier in Schweden und hoffe auf Frieden. Auf eine friedliche Lösung, bei der alle ihren Teil vom Kuchen abkriegen. Aber das ist leicht gesagt, wenn man nicht mitten im Elend steckt. Wenn ich noch im Libanon leben würde, wäre es wohl schwierig, den Konflikt aus einer anderen Perspektive als der eigenen zu betrachten.«
    »Wo im Libanon habt ihr gewohnt?«
    »In einem Dorf im Südlibanon. Danach in Beirut. Mein Vater war Lehrer.«
    »Und jetzt? Was macht er hier in Schweden?«
    »Er war Taxifahrer, bis er vor einem Jahr in Pension ging. Als wir hier ankamen, bestand er darauf, dass wir alle Schweden werden sollten. Dass wir uns nicht in irgendeinem Vorort unter Massen von anderen Einwanderern isolieren sollten. Das war natürlich ein hoher Anspruch, aber mir und meiner älteren Schwester gelang es ganz gut. Wir sind unseren Eltern sehr dankbar. Aber ihnen selbst ist es nie gelungen, richtig in der schwedischen Gesellschaft heimisch zu werden. Sie leben nur für uns.«
    »Ist dein Vater zufrieden mit deiner Berufswahl?«, wollte Petra wissen.
    »Er ist unheimlich stolz auf uns alle vier.«
    »Was, glaubst du, wärst du geworden, wenn ihr im Libanon geblieben wärt?«
    Jamal nahm den letzten Schluck aus dem Glas und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war halb neun.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte er und rutschte vom Barhocker.
    Er griff nach seiner Lederjacke und zog sie an, ohne den Reißverschluss hochzuziehen. Petra hatte ihr drittes Bier kaum angefangen, also beschloss sie, noch eine Weile sitzen zu bleiben und die entspannte Freitagsstimmung zu genießen, die um sie herum herrschte. Jamal zog seine Geldbörse aus der Hosentasche und holte zwei Hunderter heraus, die er vor ihr auf den Tresen legte.
    »Bis bald«, sagte er und küsste sie flüchtig auf die Wange.
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte Petra.
    Er schaute sie ein paar Sekunden lang mit einem Blick an, der nichts darüber verriet, was sich in seinem Kopf abspielte.
    »Hisbollah«, antwortete er knapp und ging davon.

    Petra blieb noch lange sitzen. Sie hatte beide Hände um das Bierglas gelegt und starrte leer vor sich hin. Was sollte das bedeuten, Hisbollah?

    »Du scheinst ein bisschen Nachholbedarf zu haben, was die politische Situation im Libanon angeht.«
    Petra schaute auf. Es war der sympathische Mann, der ihr früher am Abend zugeprostet hatte. Er war elegant, aber leger gekleidet. Er trug ein hellblaues Hemd, an dem die obersten Knöpfe offen waren, und eine gut sitzende Jeans mit einem Johan-Lindeberg-Gürtel. Seine jugendlichen

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