Pflicht und Verlangen
Tee mit Preiselbeeren und
Barbarakraut. Das ist gut gegen Erkältungen.«
» Danke,
Mrs Sooner.«
» Meine
liebe Miss Millford, ich habe zu danken. Ich weiß nicht, wie
ich Ihnen das jemals vergelten kann. Dass Sie so schnell Hilfe finden
konnten für mein armes kleines Mädchen ist ein Wunder und
Sie haben es vollbracht.«
Charlotte
winkte ab: »Danken Sie nicht mir. Den größten Anteil
daran hat Dr. Banning, der ein wahrer Menschenfreund und Christ ist.
Ich kenne keinen besseren Menschen«, sie zögerte einen
Augenblick. »Aber, meine liebe Mrs Sooner, nun brauche ich im
Gegenzug Ihren Mut und Ihre Hilfe!«
Während
Charlotte den ausgezeichneten und wohltuenden Tee genoss, den ihr die
Köchin eilig zubereitet hatte, setzte sie ihr ihre Überlegungen
auseinander. Natürlich hatte diese Verständnis für die
Zwangslage, in der Charlotte sich befand und war, wie auch Charlotte,
entsetzt darüber, dass Terency schon am nächsten Tag nach
Millford Hall zurückkehren wollte. Sie konnte sich kaum darüber
beruhigen, doch Charlotte sah sich genötigt, die besorgte Frau
zu unterbrechen. In der kurzen Zeit, die verblieb bis die Herrschaft
erwachte, musste noch beraten werden, wie am besten vorgegangen
werden sollte. Schließlich schlug Charlotte folgende
Vorgehensweise vor: Mrs Sooner sollte zunächst Arthur über
Emmys Abreise informieren, allerdings ohne ihn über die näheren
Umstände derselben in Kenntnis zu setzen. Anschließend
sollte sie um ein Gespräch mit Lady Millford ersuchen, wenn
Charlotte zugegen war. Charlotte würde daraufhin die Schilderung
der Köchin bestätigen. Beide setzten ihr Vertrauen in die
Einsicht Lady Millfords, die hoffentlich den verdorbenen Charakter
Terencys endlich erkennen und ihm die Gastfreundschaft und letztlich
auch die Werbung um Charlotte verwehren würde. »Hoffen
wir, dass es gelingt«, merkte Mrs Sooner schließlich
kritisch an. »Ich weiß nicht, aber die Herrin ist sehr
ungnädig geworden, seit Sir Alistair so krank ist.«
Da
wurde durch ein Klingeln aus dem Haupthaus angezeigt, dass die
Herrschaft aufgestanden war und das Frühstück bereitet
werden musste. Dies war auch das Zeichen für Charlotte, dass sie
sich nun der Begegnung mit Lady Millford zu stellen hatte.
Sie
verabschiedete sich mit einem herzlichen Händedruck von Mrs
Sooner, die ihr inzwischen mehr mütterliche Freundin als
Untergebene war und verließ schnell den Küchentrakt durch
die Gartenpforte. Sie ging auf dem Weg zurück, den sie gekommen
war und gönnte sich einen kurzen Moment der inneren Sammlung,
dann griff sie nach dem Klingelzug seitlich des Hauptportals.
Selbstverständlich war es Arthur, der öffnete und freudig
überrascht die junge Herrin in Empfang nahm. Er hatte die
Kutsche nicht gehört, da er sich zu dieser Zeit in der
Gesindeküche aufgehalten hatte und konnte sich das plötzliche
Auftauchen von Miss Millford nicht erklären.
Charlotte
ließ ihm keine Zeit Fragen zu stellen, sondern bat eindringlich
darum, sofort zu Lady Millford geführt zu werden. Arthur war zu
sehr Domestik, um sich weitere Fragen zu erlauben. Gehorsam geleitete
er seine Herrin zu den Privatgemächern Lady Millfords.
Diese
war noch mit dem Ankleiden beschäftigt. Charlotte wartete im
Vorraum ihres Salons auf sie. Die unguten Gefühle, die sich vor
der Begegnung mit der harten Frau in ihr breitmachten, versuchte sie
tapfer zu unterdrücken. Sie musste einfach nur genügend
Entschlossenheit an den Tag legen, um ihr gewachsen zu sein. Endlich
erschien Lady Millford, wie immer tadellos gekleidet, im Zimmer.
Während
Charlotte zur Begrüßung knickste, bedachte Lady Millford
ihre Nichte mit einem langen abschätzigen Blick. »Ich
sehe«, sagte sie schließlich ungnädig, »du
hast dich endlich doch entschlossen, meinem Wunsch zu entsprechen.
Ich muss sagen, dass dein ungebührlich langes Ausbleiben weder
höflich noch angemessen war. Hast du etwas zu deiner
Entschuldigung vorzubringen?«
Charlotte
schluckte und bemerkte dabei, dass ihr Hals noch mehr schmerzte. Sie
musste sich erst räuspern, da ihre Stimme ihr nicht recht
gehorchen wollte. »Verehrte Tante, ich sah mich leider
außerstande zurückzukehren, bevor meine Arbeit beendet
war.«
» Ach,
die Arbeit?« Lady Millford lachte gekünstelt auf. »Ist
sie denn erfolgreich gewesen, deine Arbeit ?«
Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.
Charlotte
ging auf die gezielte Provokation nicht ein. »Ich konnte sie
nicht vollenden nach dem Brief, den ich gestern erhielt,
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