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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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Ich habe dir gesagt: Miss Millford lässt dich
nicht im Stich. Sie hat es versprochen!«
    Charlotte
konnte sich des Überschwangs der älteren Frau kaum erwehren
und dankte Gott im Stillen, dass sie tatsächlich Hilfe bringen
konnte. Was wäre geschehen, wenn sie mit leeren Händen
dagestanden hätte? So ließ sie die aufgeregte Begrüßung
der Köchin geduldig über sich ergehen und hielt nach Emmy
Ausschau, die nun mit den Händen voller Geschirr aus der
Gesindeecke auftauchte. Charlotte erschrak zutiefst. Was war nur aus
dem blühenden Mädchen geworden, das vor nicht allzu langer
Zeit mit roten Wangen und voll staunender Erwartung dem Ereignis des
Balls entgegengefiebert hatte? Sie war deutlich schmaler geworden und
ihre Augen wirkten glanzlos. Ihre ganze Erscheinung hatte etwas
Verhuschtes, ja Verhärmtes angenommen. Wirklich betroffen aber
machte Charlotte der bittere Zug, der sich um die Mundwinkel des
jungen Gesichts eingegraben hatte. Das einst so frische Mädchen
wirkte um Jahre gealtert.
    » Emmy,
du meine Güte …«, entfuhr es Charlotte. Sie eilte
zu Emmy hinüber, nahm ihr das Geschirr ab und schloss sie in die
Arme. Es brach ihr fast das Herz, sie so zu sehen. Die abscheuliche
Tat Terencys hatte dieses arglose und unschuldige Menschenkind nahezu
vernichtet. Es war höchste Zeit, dass sie Hilfe und liebevolles
Verständnis bekam von Menschen, die sie nicht verurteilten und
bei denen keine Geheimniskrämerei mehr vonnöten sein würde.
Ich hätte schon viel früher handeln sollen, schalt
Charlotte sich selbst. Aber hätte sie ahnen können, hätte
sie auch nur jemals eine Vorstellung davon haben können, wie
grausam dieses schreckliche Erlebnis in das Leben eines so jungen
Menschen eingreifen würde? Das Mädchen in ihren Armen brach
prompt in heftiges Weinen aus. Die Tränen hinterließen
einen feuchten Fleck auf Charlottes Reisecape, doch das kümmerte
sie nicht. Sie strich Emmy beruhigend über den Rücken und
fing dabei Mrs Sooners ängstlich fragenden Blick auf. Ein Nicken
und ein zuversichtliches Lächeln ihrerseits beantwortete die
unausgesprochene Frage der älteren Frau: ja, sie brachte Hilfe!
    Mrs
Sooner öffnete den Mund zu einem stummen Schrei der
Erleichterung und bedeckte ihr Gesicht mit ihrer Schürze. Doch
Charlotte wusste, dass die Zeit drängte. Sie schob die weinende
Emmy ein Stück von sich weg und wandte sich an ältere Frau:
»Schnell, Mrs Sooner, gleich kommt der Kutscher von Dullham
Manor herein und möchte Tee und Porridge. Ich habe ihn
hereingebeten. Er wird Emmy mitnehmen zu Dr. Banning, dem Pfarrer von
Dullham. Emmy, du kennst ihn sicher noch vom Ball. Der ältere
Herr, der mit Lord Battingfield zusammen ankam.« Sie biss sich
auf die Lippen. Allein das Aussprechen von Johns Namen bereitete ihr
einen scharfen Schmerz in der Brust.
    Emmy
nickte nur zögerlich, deshalb beeilte Charlotte sich, ihr zu
erklären: »Ich habe ihm alles erzählt!« Emmy
wurde noch blasser, als sie ohnehin schon war und öffnete
ängstlich den Mund, doch Charlotte wehrte ab: »Sei
unbesorgt! Ich hätte es nicht getan, wenn ich nicht sicher
gewusst hätte, dass er es verstehen würde. Und er weiß
dir Hilfe zu schaffen, Emmy! Du kannst fort von hier! Du kannst zu
guten Menschen, die dich in ihre Familie aufnehmen werden. Dort
findest du Quartier und Arbeit, kannst das Kind zur Welt bringen und
wirst versorgt. Dr. Banning wird sich um alles kümmern und dir
zur Seite stehen. Du kannst ihm so vertrauen wie du mir vertraust.«
    In
diesem Moment trat der Kutscher, der noch sein Pferd versorgt hatte,
in die Küche. Ein warnender Blick von Mrs Sooner ließ
Charlotte innehalten.
    Schnell
verständigte sie sich durch eine Handbewegung mit der Köchin,
damit diese den Kutscher in Empfang nahm und ihr damit Zeit gab, das
weinende Mädchen aus dem Raum zu führen. Während Mrs
Sooner daraufhin sofort das Ihre tat, redete Charlotte leise auf Emmy
ein. Es blieb nur wenig Zeit für das junge Mädchen, seine
Habseligkeiten zusammenzupacken und Millford Hall zu verlassen.
Charlotte hoffte inständig, dass Emmy bei der Familie, die Dr.
Banning für sie ausgesucht hatte, wieder Lebensmut schöpfen
konnte. Sicher würde er auch wissen, was zu tun war, um Emmys
geschundene Seele wieder aufzurichten. Nirgends konnte ihr besser
geholfen werden, dessen war sie sich sicher. Während sie Emmy in
ihre Kammer begleitete und ihr beim Packen half, fühlte sie, wie
ein unbändiger Zorn auf den Verursacher dieser Tragödie in
ihr

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