Pflicht und Verlangen
Gattin
mitzuteilen, was wohl zu einigen Verwerfungen des häuslichen
Friedens führen würde. Vielleicht sollte er mit der
Eröffnung noch etwas warten.
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Charlotte
hatte sich drei Tage lang brav im Bett aufgehalten und
widerspruchslos die absonderlichsten Kräutertees sowie eine gute
Anzahl kräftigender Suppen zu sich genommen, die ihr Mrs Sooner
mit Feuereifer zubereitet hatte. Sie begann sich bereits zu
langweilen und hatte auch das Bedürfnis, ihren Onkel zu
besuchen, wagte es aber nicht, um ihn nicht anzustecken. Gerne hätte
sie etwas Klavier gespielt, aber ihre Pflegerinnen wollten auch dies
nicht zulassen. So vertrieb sie sich die Zeit mit Lesen und dem eher
halbherzigen Versuch von privater Korrespondenz, schaute sehnsüchtig
aus dem Fenster, wo in der frischen Natur der Frühling mit Macht
Einzug hielt und vermied es sorgfältig, ihre ernsthaften
Schwierigkeiten zu überdenken. Sie war sich jedoch bewusst, dass
diese in unmittelbarer Nähe lauerten und je besser sie sich
fühlte, desto mehr drängten die Probleme sich in den
Vordergrund und verlangten nach einer Lösung, die ihr einfach
nicht einfallen wollte.
Am
Morgen des vierten Tages trat in gewohnt eisiger Unnahbarkeit Lady
Millford an ihr Krankenlager und teilte ihr mit, dass sie nun
Charlottes baldige Genesung erwarte. Ihre Krankheit, die sie wohl
auch als Ausrede benutze, um ihr skandalöses und unentschuldbar
undamenhaftes Verhalten beim letzten Besuch von Mr Terency zu
entschuldigen, habe nun lange genug gedauert. Sie selbst habe sich
wirklich aller Künste der hohen Diplomatie bedienen müssen,
um den brüskierten, überaus wichtigen Gast wieder zu
beruhigen. Doch schließlich habe dieser, zu ihrer großen
Erleichterung, die Einladung zur Fuchsjagd noch einmal erneuert.
Charlotte habe es nur ihr zu verdanken, dass ihre Aussichten auf eine
lukrative Eheschließung immer noch bestünden. Überdies
habe es Mr Terency in seiner großherzigen Güte gefallen,
ein paar persönliche Zeilen an Charlotte zu richten, die sie ihr
hiermit überbringe, nach angemessener Einhaltung der ihrer
Ansicht nach völlig überzogenen Genesungszeit. Damit
übergab sie der vor Schreck noch eine Nuance blasser gewordenen
Patientin das versiegelte Schreiben, verließ dann aber nicht
den Raum, sondern verharrte an deren Bett in der für sie
selbstverständlichen Erwartung, nun umgehend über den
Inhalt des Schreibens informiert zu werden.
Mit
zitternden Fingern brach Charlotte das Siegel und blickte auf die
steil aufragende Handschrift des Mannes, den sie am liebsten ans
andere Ende der Welt gewünscht hätte.
Verehrte
Miss Millford,
ich
möchte meinem übergroßen Bedauern darüber
Ausdruck verleihen, dass wir unser privates Plauderstündchen
wegen Ihrer überraschenden Erkrankung nicht intensiver
fortsetzen konnten. Wie gerne hätte ich Sie viel näher und
von Ihrer unzweifelhaft interessanten, weiblichen Seite her
kennengelernt, die Sie bisher so sorgsam vor mir verbargen. Warum
nur, meine Teuerste? Ich hoffe doch, dass Ihnen meine Absichten, Ihre
Person betreffend, deutlich geworden sind.
Ich
möchte unsere Bekanntschaft doch sehr gerne vertiefen, zumal ich
auch das fördernde Verhalten Ihrer werten Tante in dieser
Angelegenheit sehr zu schätzen weiß.
Sicher
ist es Ihnen auch ein Herzensanliegen, die Fuchsjagd zu erleben, die
allgemein als herausragendes Erlebnis und wahrhaft königlicher
Sport gerühmt wird, was ich nur bestätigen kann.
Selbstverständlich würde ich mich ganz besonders freuen und
erwarte es geradezu, Sie an meiner Seite hoch zu Ross in die Kunst
der Hetzjagd einzuführen. Ich hoffe sehr, Sie schlagen mir
diesen Wunsch nicht herzlos ab. Ich wäre untröstlich
darüber. Deshalb erwarte ich Sie und die verehrte Lady Millford
voller Ungeduld in drei Wochen auf meinem Landsitz in Hampshire.
So
wünsche ich Ihnen nun baldige Genesung und erhoffe sehnlichst
unser nächstes Zusammentreffen, um unsere interessante
Bekanntschaft weiter zu vertiefen.
Hochachtungsvoll
Ihr
Mr
Gaylord Terency
Wäre
sie nicht so erschrocken gewesen über die Aussicht, wieder mit
Terency zusammentreffen zu müssen und das schon in etwas mehr
als zwei Wochen, hätte Charlotte vermutlich vor Zorn über
die unverhohlene und unverschämte Drohung dieses gewissenlosen
Verbrechers aufgeschrien. Er hatte es fertiggebracht, ihr in diesem
Schreiben unverblümt die Fortsetzung seiner gewalttätigen
und unsittlichen Annäherung in Aussicht zu stellen, ohne dass
dies
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