Pflicht und Verlangen
aufwacht
und sich gefesselt von vier Männern umstanden sieht, die ihr in
dieser Weise Gewalt antun. Denken Sie nicht auch so darüber, Dr.
Williams?«
Dieser
erwog den Vorschlag sorgfältig und meinte dann: »Gut,
Captain! Ich glaube, Sie haben recht. Machen wir es so! Doch wir
sollten es nicht mehr allzu lange hinauszögern. Sprechen Sie nur
allein mit ihr. Ich denke, sie vertraut Ihnen.«
John
nickte ihm dankbar zu, betrat dann das Krankenzimmer und bat die
beiden Bediensteten, den Raum für einen Augenblick zu verlassen.
Dann ging er zu dem großen Bett hinüber, in dem Charlotte
lag. Sie war gut versorgt worden. Ein sauberer Verband war um ihren
Kopf gewickelt und alle Blutspuren waren abgewaschen. Sie wirkte
unnatürlich zart und bleich, wie sie dort in den Kissen lag.
Ihre Brust, um die ebenfalls ein stützender Verband geschlungen
war, hob und senkte sich im Schlaf regelmäßig, doch sie
war unruhig wegen der Schmerzen, die sie sogar jetzt zu verspüren
schien. Er trat leise hinzu und kniete sich neben ihr nieder.
» Charlotte?«
Er musste sie mehrfach ansprechen und strich ihr über die Wange,
bis sie aufwachte und ihn endlich wahrnahm. Unsicher versuchte sie
ihn mit ihren Augen zu fixieren, wohl als Folge des Laudanums und der
Kopfverletzung.
» John!
Du bist da!«, sie versuchte zu lächeln und hob die Hand,
die jedoch kraftlos zurücksank. Er ergriff sie und hielt sie
fest.
» Liebes!
Wie fühlst du dich?«
Sie
gab keine Auskunft und das war ihm als Antwort schlimm genug. Er
konnte es kaum ertragen. Doch er hatte eine Aufgabe zu erfüllen,
auch wenn es ihm unendlich schwerfiel.
» Charlotte,
weißt du, wie schwer du verletzt bist?«
Sie
nickte vorsichtig. »Es tut so weh.« Sie begann, leise zu
weinen.
» Ich
weiß, mein Engel!«, sagte er traurig und strich ihr
abermals liebevoll über die Wange. »Aber ich will, dass du
lebst, hörst du mich! Du darfst nicht aufgeben, ganz gleich, was
passiert. Tu es für mich. Ich bitte dich, kämpfe!«
Sie
sah ihn mit ihren großen braunen Augen an. Angst und dunkle
Ahnung regten sich darin.
» Was
wird geschehen?«
» Charlotte,
dein Bein ist nicht mehr zu retten. Dr. Williams wird es abnehmen
müssen!«
Nun
war es heraus. Sie sog erschrocken die Luft ein und verzog gleich
darauf schmerzlich das Gesicht. Die gebrochenen Rippen machten sich
zweifellos bemerkbar. Er wartete einige Zeit betroffen, bis ihre
Schmerzen wieder etwas nachgelassen hatten, umfing dann ihre Hand,
küsste sie zärtlich und erklärte Charlotte so sanft
wie es ihm nur möglich war, was sie erwartete.
» Wirst
du dabei sein?«, fragte sie schließlich mit unsicherer
Stimme.
» Ich
bin bei dir, Liebes!«
Sie
atmete vorsichtig ein. »Gut, dann sei es so!«
» Ich
wusste es. Du bist meine tapfere, kleine Kämpferin!« Er
erhob sich und wandte sich zum Gehen.
» John?«
» Ja?«
» Besteht
die Gefahr, dass ich nicht überlebe?«
Er
lehnte sich an die Säule des Baldachins und sah sie lange an,
dann nickte er stumm und zögernd.
» Dann
versprich mir etwas.«
» Alles,
was du willst!«
» Ich
möchte als Charlotte Elisa Brandon begraben werden. Wirst du
dafür sorgen?«
Er
konnte nicht antworten. Seine Augen schwammen in Tränen.
» Ich
liebe dich, Charlotte Elisa Brandon!«, flüsterte er und es
war die reine Wahrheit.
Damit
verließ er den Raum, um die anderen zu holen.
******
Sie
ließ alles klaglos mit sich geschehen. Die Männer hoben
sie auf einen bereitgestellten Tisch mit einer speziell gefertigten
Holzplatte, die Dr. Williams zu diesem Zweck aus seiner Praxis
mitgebracht hatte. Die Platte war mit verschiedenen Bügeln und
Gurten zur Fixierung der Patientin ausgerüstet. Sorgsam zog der
Arzt selbst die Gurte fest und schob dann äußerst
vorsichtig einen hölzernen, perfekt geformten Keil unter den
linken Oberschenkel und fixierte das Bein.
Dann
wies er die Männer an, Aufstellung zu nehmen und überprüfte,
ob genügend saubere Tücher, Aderklemmen, Nähzeug und
heißes Wasser vorhanden und griffbereit waren. Er nickte John
zu, der sich daraufhin Charlotte zuwandte und ihre Schultern zunächst
vorsichtig, dann aber mit eisernem Griff auf die Unterlage drückte.
Sie sah ihm unverwandt in die Augen. Ihr Blick war voller Vertrauen
und er hielt ihm stand. Dr. Williams nahm nun sein Amputationsmesser,
ein äußerst scharf geschliffenes Messer mit einer circa
zehn Inch (41) langen Klinge zur Hand und legte seine Knochensäge
bereit. Er durfte nicht eine Sekunde
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