Pflicht und Verlangen
unnötige Zeit bei seinem
grausamen Werk vergeuden. Pescoe schluckte schwer beim Anblick der
Operationsinstrumente und wurde merklich blasser.
» Ich
bin bereit, Gentlemen«, sagte er. Auch Jenkins und Pescoe, der
sich sichtlich zusammenriss, packten nun fest zu und Dr. Williams
setzte seinen Schnitt an.
Charlottes
Körper bäumte sich trotz der Fesseln unvermittelt gepeinigt
auf, ihr Kopf drückte mit erstaunlicher Kraft nach hinten. Dann
begann sie zu schreien, gellend, hemmungslos. Es war grauenvoll. John
konnte es nicht ertragen und ließ doch nicht los. Plötzlich
erschlaffte sie, riss die Augen auf und sah ihn starr an. Blankes
Entsetzen spiegelte sich in ihrem Blick, bis dieser plötzlich
flackerte. Ihr Kopf fiel kraftlos zur Seite. Sie war erneut
ohnmächtig geworden. Ein Schluchzen entrang sich ihm, doch dann
riss er sich zusammen.
» Captain,
schnell, überprüfen Sie den Puls.« John tat, wie ihm
geheißen worden war. Das Herz schlug noch, aber sehr schnell
und unregelmäßig. Er teilte seine Beobachtung Dr. Williams
mit. Dieser begann zu fluchen, »Verdammt! Hören Sie,
Battingfield, lassen Sie die Hand am Puls und teilen Sie mir jede
Änderung mit, haben Sie verstanden?« Selbstverständlich
hatte er verstanden! Unterdessen bemühte sich Dr. Williams, die
Blutung zu stoppen. John versuchte, nicht hinzusehen. Das Blut schoss
in Strömen aus dem Stumpf und besudelte den Arzt über und
über. Endlich gelang es ihm und der Strom schien zu versiegen.
» Battingfield,
verdammt, was macht der Puls?«
» Unverändert,
Sir.«
» Dann
beten Sie jetzt. Entweder das Herz beruhigt sich wieder oder sie
stirbt. Sie hat einen Schock erlitten. Sie wissen wahrscheinlich, was
das heißt!«
John
nickte. Es war die weitaus häufigste Todesursache bei den
Operationen. Da spürte er, wie ihr Herzschlag zu stolpern
begann. Entsetzen ergriff ihn, sie starb ihm unter den Händen.
Er beugte sich über sie: »Charlotte, komm zurück. Du
hast versprochen, zu kämpfen! Kämpfe!« Doch sie lag
regungslos auf dem Tisch, selbst ihr Atem war ins Stocken geraten.
Die Männer wechselten bange Blicke. War es vorbei?
» Charlotte!«
Er schrie es fast. Es war ihm egal, was die anderen dachten. Dann
nahm er ihr Gesicht in seine Hände und flüsterte dicht an
ihrem Ohr: »Bitte, Liebes, bitte verlass mich nicht!« Er
spürte, wie ihm Dr. Williams die Hand auf die Schulter legte.
Totenstille
trat ein. Doch dann wurde diese Stille durch einen tiefen Atemzug
Charlottes durchschnitten. Williams stieß John beiseite und
griff nun selbst an die Halsschlagader. Dann wandte er sich um und
nickte ihm freudig zu. Sie hatte es geschafft.
Pescoe
taumelte zurück und erbrach sich in einer Ecke des Raumes. Der
Arme war einer Ohnmacht nahe. Auch Jenkins war ziemlich blass
geworden. Er warf John einen langen Blick zu. »Gut, dass wir
den Hund haben. Für den ist der Strang noch zu schade, wenn Sie
mich fragen!«
John
antwortete nicht darauf. Er war mit seinen Kräften am Ende.
Dr.
Williams versorgte die Wunde, legte sorgfältig einen Verband an
und löste endlich die Fesselung. John half ihm dabei. Dann wurde
die immer noch Ohnmächtige wieder zurück in ihr Bett
gelegt.
» Ich
danke Ihnen, Gentlemen!«, sagte Dr. Williams. »Ich
glaube, Sie haben sich jetzt eine Stärkung verdient. Mr Pescoe,
geht es Ihnen wieder besser?«
Dieser
nickte mit grünlichem Gesicht. So ganz schien seine Beteuerung
nicht zu stimmen. Der Arzt lächelte ihn verständnisvoll an:
»Beim ersten Mal ist es immer schlimm. Ich bin damals sogar
umgekippt. Sie haben sich sehr wacker gehalten, Sir! Jenkins, von
Ihnen weiß ich ja, dass Sie einiges vertragen können! Auch
Ihnen verdankt die junge Dame hier ihr Leben, das nun hoffentlich
gerettet ist, so Gott will. Sie wird Ihnen das sicher vergelten.«
» Das
ist nicht nötig. Das war doch selbstverständlich!«,
sagte Jenkins bescheiden, verbeugte sich knapp und ging dann schnell
hinaus. Er wollte wohl nicht zeigen, dass auch ihn das Geschehen sehr
ergriffen hatte. Pescoe folgte ihm.
John
war bei Charlottes Krankenlager stehen geblieben. »Ist es
möglich, dass ich noch etwas bei ihr bleibe?«, fragte er
den Arzt.
» Sicher!«,
erwiderte dieser, während er begann, den Operationsplatz zu
reinigen. »Ich werde heute Nacht auch hierbleiben und die
Patientin überwachen. Falls Komplikationen auftreten, möchte
ich gleich zur Stelle sein.« Die beiden Bediensteten kamen
wieder herein, wuschen das Blut weg und trugen alles
Weitere Kostenlose Bücher