Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
zum Notarzt.«
»Nein, nicht
nötig. Ich bin jetzt bereit, deine Fragen zu beantworten.«
»Also gut.
Wer hat von deinem Ausflug zum Pflugstein gewusst?« Er beobachtet, wie sie intensiv
über seine Frage nachdenkt und sich dabei wiederholt die Augen reibt.
Dann sagt
sie: »Kannst du mir mein Handy holen? Es ist in der Außentasche meines Rucksacks.
Ich glaube, er steht auf dem Sideboard beim Eingang.«
Er kommt
ihrem Wunsch nach.
Sie setzt
sich auf. Als sie das Handy aus dem Rucksack herauszieht, flattert ein Zettel zu
Boden.
Er hebt
ihn auf und überfliegt die gedruckten Zeilen.
NIMM DICH IN ACHT! , steht
in Großbuchstaben .
Ich bin
der Geist, der stets verneint!
Und das
mit Recht: denn alles, was entsteht,
Ist wert,
dass es zugrunde geht;
Drum besser
wär’s, dass nichts entstünde.
So ist denn
alles, was ihr Sünde,
Zerstörung,
kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches
Element.
»Lass mich sehen«, bittet sie ihn
eindringlich.
Er holt
aus seiner Jackentasche einen Asservatenbeutel und steckt den Zettel hinein, bevor
er ihn ihr zum Lesen gibt.
»Da hat
sich jemand wohl einen üblen Scherz erlaubt«, beschwert sie sich entrüstet.
»Wir müssen
davon ausgehen, dass dies eine Warnung ist. Diesmal wurdest du nur betäubt, das
nächste Mal musst du vielleicht mit Schlimmerem rechnen.«
»Herkules!«,
ruft sie plötzlich. »Herkules liest Goethe. Das hast du mir selber erzählt.«
Er nickt
nachdenklich. »Eins steht fest, hier geht es nicht um ein Spiel.«
»Sieht ganz
danach aus«, seufzt sie, während sie auf ihrem Handy die angenommenen Anrufe überprüft.
»Jetzt erinnere ich mich«, ruft sie aus. »Auf dem Weg zum Pflugstein, in der Nähe
der Ruine Wulp, hat mich Angelina angerufen. Sie bat mich, ihr den Pflugstein zu
zeigen. Ich habe ihr geantwortet, dass sich das gut treffen würde, weil ich mich
gerade auf dem Weg dorthin befände. Doch als ich ihr ein Treffen beim Restaurant Kittenmühle vorschlug, hatte sie plötzlich keine Zeit.«
Eine große
Unruhe ergreift ihn. Er will von ihr wissen, ob es noch andere Anrufe gab.
Ohne das
Handy zu konsultieren, gibt sie zur Antwort: »Bei der Eiche auf der Blüemlisalp
habe ich von Alex einen Anruf erhalten.«
»Und was
wollte sie?«
»Sie hat
sich nach meinem Befinden erkundigt.«
»Sonst nichts?«
»Wir haben
nur ganz kurz miteinander gesprochen. Sie sagte etwas, was mich unangenehm berührt
hat, doch ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, was es war.«
»Es wird
dir bestimmt wieder einfallen, wenn du ausgeruht bist«, versucht er, seine eigene
Unruhe zu übertünchen.
»Sascha
hat mich ebenfalls angerufen. Danach habe ich das Handy ausgeschaltet.«
»Was mir
nicht entgangen ist«, tadelt er sie. »Ich habe mehrmals versucht, dich zu erreichen.«
»Ich brauchte
dringend etwas Ruhe«, rechtfertigt sie sich.
»Was wollte
Engel?«, nimmt er nach einer Weile des Schweigens den Faden erneut auf.
»Er entschuldigte
sich.«
»Für was?«
»Er hat
mir am Morgen das Telefon aufgehängt, als ich ihn angerufen habe.«
»Warum?«
»Weil ich
von ihm wissen wollte, was an jenem Abend zwischen ihm und Joe wirklich vorgefallen
war«, antwortet sie kleinlaut.
»Wusste
er auch, dass du zum Pflugstein unterwegs warst?«
»Ich glaube,
ja.«
»Na toll.«
Er kneift verärgert die Lippen zusammen. »Die halbe Welt wusste also von deinem
Ausflug.«
Eingeschüchtert
wendet sie sich ab.
Dessen ungeachtet
fährt er mit strenger Stimme fort: »Wir werden die Alibis der Tatverdächtigen überprüfen
müssen. Vielleicht haben wir Glück. Wann genau warst du beim Pflugstein?«
Viktoria
dreht sich wieder zu ihm hin und antwortet: »Es war kurz nachdem ich den Anruf von
Sascha erhalten hatte. Lass mich auf dem Handy nachschauen. Kurz nach drei habe
ich mit ihm telefoniert, eine Viertelstunde später war ich beim Pflugstein. Dort
habe ich mich zuerst eine Weile auf die Bank gesetzt und danach habe ich mir den
Stein angeschaut. Es muss also zwischen halb vier und vier gewesen sein.«
»Gut. Noch
eine letzte Frage. Auf deiner SMS hast du geschrieben, dass du etwas herausgefunden
hast.« Er liest ihr die Kurznachricht vor.
Sie denkt
angestrengt nach. Zwischen ihren Augen bilden sich zwei tiefe Falten. »Ich kann
mich beim besten Willen nicht erinnern, was es war«, erwidert sie nach einer geraumen
Weile.
»Leg dich
wieder hin und ruh dich aus. Ich muss telefonieren.«
60
Möller geht hinaus auf die Terrasse.
Inzwischen ist der
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