Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
Stunde?«
»Warte bitte
einen Moment. Ich muss Jack fragen.«
63
Zur Besichtigung des Pflugsteins
verlässt Viktoria vorzeitig ihre Wohnung, um vor dem Haus auf Angelina zu warten.
Währenddessen schickt sie Valentin eine SMS und informiert ihn über den Ausflug.
Bald darauf
fährt Angelina mit ihrem Mercedes-Cabriolet vor. Herkules ist ebenfalls mit von
der Partie. Während der Fahrt würdigt er Viktoria keines Blickes. Er sitzt zusammengekrümmt
im Fond des Wagens und lässt seine Schwägerin wie ein Bodyguard keine Sekunde aus
den Augen.
Angelina
hofft, direkt vor den Pflugstein fahren zu können, um den Fundort lediglich durchs
Autofenster inspizieren zu müssen, doch ihr Wunsch erfüllt sich nicht. Natürlich
hätten sie das Auto beim Restaurant zum Pflugstein parkieren können, was
die Strecke erheblich verkürzt hätte, doch Viktoria will die Zeit nutzen, um ihre
beiden Begleiter zu beobachten.
Auf ihr
Geheiß stellt Angelina ihr Auto auf dem Parkplatz des Restaurants Kittenmühle ab. Das letzte Stück Weg gehen sie zu Fuß.
Viktoria
beobachtet, wie sich Angelina in ihren Stöckelschuhen tapfer über Stock und Stein
müht. Während des Spaziergangs gibt sich die Asiatin schweigsam. Ihr schönes Gesicht
wirkt angespannt und traurig. Herkules dagegen starrt die ganze Zeit über Kaugummi
kauend vor sich hin und tut so, als ginge ihn die ganze Sache nichts an.
Viktoria ist erleichtert, als sie
endlich beim Pflugstein ankommen. In diesem Moment wird sie von Trix angerufen,
die sie unbedingt zum Lunch in der Stadt treffen will.
Während
des Telefongesprächs beobachtet sie, dass Angelina wie angewurzelt vor dem Stein
stehen bleibt, während Herkules schnurstracks auf die Stelle zugeht, wo sein Bruder
gelegen hat. Das schürt erneut ihr Misstrauen gegen ihn.
Keine zehn
Minuten später drängt der muskulöse Riese seine Schwägerin bereits wieder zum Aufbruch.
64
Das Chiang Mai liegt im Kreis
5 hinter dem Hauptbahnhof, nördlich der Geleise.
Punkt zwölf
Uhr betritt Viktoria den Take-away, der thailändisches Essen über die Gasse anbietet.
Sie wird bereits von Trix erwartet, die sofort auf sie zusteuert. Es umgibt sie
ein Duft, der ihr bekannt vorkommt. Sie hat jedoch keine Zeit, sich darüber Gedanken
zu machen, denn Trix lotst sie an die Theke, wo das Essen ausgegeben wird. Sie wählt
eine Portion grünen Curry und folgt Trix zurück zum Tisch.
Ohne Umschweife
kommt Trix auf den Grund ihres Treffens zu sprechen. »Alex feiert morgen ihren siebenundvierzigsten
Geburtstag. Ich möchte ihr als Überraschung eine Wanderung mit anschließendem Nachtessen
schenken«, erklärt sie aufgekratzt, wobei sie mit ihren riesigen Händen ihren Worten
Nachdruck verleiht. »Da ich von Alex weiß, dass du auch gerne wanderst, wollte ich
dich fragen, ob du Lust hättest, uns zu begleiten?«
Ein Nein
liegt ihr auf der Zunge, doch stattdessen fragt sie: »Wohin soll es denn gehen?«
»Auf die
Höchhand«, erklärt Trix begeistert.
»Ist die
Wanderung anspruchsvoll?«, erkundigt sie sich, um etwas Zeit zu gewinnen.
»Das letzte
Stück ist steil, doch der Weg ist dort mit einem Drahtseil gesichert. Alles, was
es braucht, ist ein bisschen Trittsicherheit.« Als Trix ihr Zögern sieht, fährt
sie fort: »Die ganze Wanderung dauert nur vier Stunden, und wir können uns dafür
viel Zeit nehmen. Im Wetterbericht wurde für die Nacht zwar Regen angesagt, aber
morgen soll es schön sein. Das heißt, die Chance ist groß, dass wir auf der Höchhand
eine gute Fernsicht haben und den Säntis, die Churfirsten und den Glärnisch sehen.«
»Du scheinst
dich dort oben gut auszukennen?«
»Das kann
man wohl sagen«, erwidert Trix gut gelaunt. »Wenn wir wandern gehen, dann meistens
im Grenzgebiet Züricher Oberland, St. Gallen. Von Meilen aus ist es nicht weit,
und es gibt dort oben zahlreiche Wandermöglichkeiten.«
Sie weicht
Trix’ forschendem Blick aus, der sie unangenehm berührt. Die kleinen, eng beieinanderliegenden
Augen erinnern sie an die wachsamen Äuglein einer Ratte.
Neugier
schwingt in Trix’ Stimme mit, als sie fortfährt: »Alex hat mir übrigens erzählt,
dass du früher im nahen Oberholz gewohnt hast und dass eine Freundin von dir in
der Nähe der Tössscheidi ermordet wurde. Vielleicht könnten wir einen Abstecher
zum Tatort machen?«
»Lieber
nicht«, lehnt sie entschieden ab und ignoriert die Enttäuschung, die sich auf Trix’
Gesicht breitmacht. »Ich hole mir jetzt ein Bier. Das Essen hat
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