Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
Pizzakurier zu warten. Obwohl ihr immer noch leicht
schwindlig ist, fühlt sie sich mit jedem Schritt besser. Spätestens übermorgen gehe
ich nach Hause, schwört sie sich. Mit oder ohne Arzterlaubnis.
Als sie später die Pizza Diabolo vor sich liegen sieht, verspürt sie keinen Hunger mehr. Trotzdem beginnt sie zu
essen. Mindestens ein Viertel, beschwört sie sich. Die Dose Bier, die ihr der Kurier,
wie abgesprochen, in Zeitungspapier eingewickelt übergeben hat, schmeckt köstlich
und weckt ihre Lebensgeister.
Nach dem
Essen öffnet sie das Fenster und atmet die kühle Nachtluft tief in ihre Lungen ein.
Erleichtert stellt sie fest, dass sich ihr Gedächtnis langsam aber stetig klärt
und sie sich jetzt wieder an Einzelheiten erinnern kann. Auf ihrem Nachttisch findet
sie einen Notizblock. Valentin hat wirklich an alles gedacht. Ob er wohl inzwischen
herausgefunden hat, wer Joe getötet hat?
Sie greift
nach dem Block und setzt sich damit an den Tisch. Dann schreibt sie wahllos alle
Gedanken auf, die ihr durch den Kopf gehen. Ihre Erinnerung hört mit Valentins Anruf
am Samstagabend auf. Es bekümmert sie, dass sie nicht auf die Reihe kriegt, was
Samstagnacht geschehen ist. Auch was den Sonntag und Montag angeht, lässt ihr Gedächtnis
sie im Stich.
Ihr immer
noch geschwächter Körper zwingt sie, sich wieder hinzulegen. Sie verspürt ein heftiges
Verlangen, in ihren Alltag zurückzukehren. In einen ganz gewöhnlichen Alltag ohne
Tragödien und ohne Schräglagen. Plötzlich ist die diffuse Angst wieder da und bemächtigt
sich ihrer.
85
Mittwochmorgen.
Während
die Pflegerin ihren Blutdruck und ihre Temperatur misst, beschließt Viktoria, sich
ein Taxi zu bestellen und nach Hause zu fahren. Kaum hat die Frau das Zimmer verlassen,
kleidet sie sich an.
Kurz danach
trifft Valentin ein.
Sie genießt
seine Umarmung. »Du siehst erschöpft aus«, bemerkt sie.
»Geht schon«,
erwidert er, »wie ich sehe, fühlst du dich schon viel besser?«
»Ja, es
geht aufwärts. Komm Valentin, setz dich zu mir. Ich muss dir unbedingt von meinem
Albtraum erzählen«, schießt sie los. »Ich will nie mehr eine solche Kälte spüren,
nie mehr.«
»Keine Angst,
ich werde dafür sorgen, dass dir immer schön warm ist«, entgegnet er mit einem Schmunzeln
und haucht einen Kuss auf ihre Stirn.
Sie erzählt
ihm von ihrem Traum, von den Eisblöcken, die so kalt waren, dass sie auf ihrer Haut
brannten. Auch davon, dass der Tod greifbar nahe war.
Er nickt
verständnisvoll.
»Sobald
ich die Augen schließe, quälen mich die Bilder. Es ist ein Elend«, fährt sie deprimiert
fort.
»Wahrscheinlich
versucht dein Unterbewusstsein das Geschehene aufzuarbeiten«, mutmaßt er.
Ihre Anspannung
lässt etwas nach. »Besonders schlimm an meinem Traum war, dass ich mich nicht bewegen
konnte.«
»Das kenne
ich. Man will davonrennen, kommt aber nicht vom Fleck.« Er streichelt ihren Arm.
»Es ist gut, dass du darüber sprechen kannst.«
»Vielleicht
hast du recht. Aber da ist immer noch ein großes Durcheinander in meinem Kopf.«
»Alles braucht
seine Zeit«, tröstet er sie.
Sie erhebt
sich schwerfällig vom Stuhl.
»Solltest
du dich nicht besser noch ein bisschen ausruhen?«, ermahnt er sie.
»Ach woher.
Gelegen habe ich die letzten Tage, weiß Gott, mehr als genug. Was ich jetzt dringend
brauche, ist frische Luft und Bewegung. Übrigens hat der Arzt mir erlaubt, nach
Hause zu gehen. Allerdings musste ich ihm versprechen, es langsam anzugehen.«
Er sieht
sie nachdenklich an. »Und, wirst du dein Versprechen halten?«
»Es bleibt
mir gar nichts anderes übrig«, antwortet sie mit einem tiefen Seufzer.
»Also gut«,
willigt er stirnrunzelnd ein. »Ich werde dich nach Hause fahren, und dann reden
wir. Aber nur, wenn du mir versprichst, keine Dummheiten zu machen.«
»Kommt ganz
darauf an, was du unter Dummheiten verstehst«, fordert sie ihn augenzwinkernd heraus.
Er schüttelt
den Kopf. »Du musst immer das letzte Wort haben. Du bist und bleibst unverbesserlich.«
»Ich weiß.
Du wirst es mit mir nicht leicht haben«, gibt sie vielsagend zurück.
86
Viktoria lässt sich von Valentin
nach Küsnacht fahren.
Beim Betreten
der Wohnung werden sie von Sphinx mit einem herzzerreißenden Miauen begrüßt. Doch
als sie ihn streicheln will, stolziert er mit erhobenem Schwanz beleidigt davon.
Als sie in der Küche zu hantieren beginnt, kehrt er zurück, stupst sie fordernd
an und führt sein Gejammer fort. Er gibt erst Ruhe, als sie
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