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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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handelt, die die hiesigen Sitten und Vorschriften eigentlich noch peinlicher einhalten sollten, wollen sie bei uns wohlgelitten sein.«
    »Und die wären?« Er blieb ganz ruhig. »Ich höre.«
    Versuchte er, sie in die Enge zu treiben? Bela entschloss sich zur Attacke. Besser, er merkte gleich, mit wem er es zu tun hatte!
    »Susanna Tarlezzo zum Beispiel. Und das Kind, das sie von Euch bekommt. Ihr seht, ich bin bestens informiert. Die Wahrheit kann so scharf sein wie ein Schwert.«
    Datinis Miene blieb unverändert. Nur eine kleine Ader an seiner rechten Schläfe begann zu zucken.
    »Ich bin in der Tat erstaunt«, erwiderte er glatt. »Unter diesen Umständen stehe ich Euch natürlich ganz und gar zur Verfügung. Aber wollen wir uns nicht setzen?« Er wies auf ein paar Stoffballen in der Ecke. »Ihr solltet Euch nicht so anstrengen.«
    Widerwillig folgte sie ihm und begann sofort zu reden. Er unterbrach sie nur zweimal, um eine Frage zu stellen, danach nickte er langsam.
    »So kann es gehen. Ich gelobe, alles zu tun, was in meiner Macht steht. Und monatliche Berichte über Johannes, wie abgemacht. Ihr könnt Euch ganz auf mich verlassen. Ein Datini hält seine Versprechen. Immer.«
    Nach einer Weile schlüpfte er hinaus, als Erster, wie sie vereinbart hatten, um keinesfalls zusammen mit ihr gesehen zu werden. Sie blieb noch ein paar Augenblicke im Schuppen zurück, den die Dämmerung inzwischen mit grauem Licht gefüllt hatte. Sie hatte erreicht, was sie sich vorgenommen hatte. War im Besitz seines Ehrenworts. Eigentlich hätte sie voller Freude sein müssen, erfüllt von Triumph. Weshalb nur wollte dann trotzdem nicht das bedrückende Gefühl von ihrer Seele weichen, sie habe verloren?
    Tief in Gedanken ging sie nach Hause. Es regnete, bald fielen die ersten Graupel. Vollkommen durchnässt kam sie schließlich an. Sie würde die Mägde gleich losscheuchen, um Wasser aufzuheizen und den großen Zuber zu füllen. Ein langes heißes Bad, angereichert mit würzigen Kräutern, wie sie es von Saskia gelernt hatte, war das Einzige, was die Erkältung jetzt noch abwenden konnte.
    Vielleicht lag es an dem Satz, den der Karwertsche ganz beiläufig geäußert hatte, kurz vor dem Abschied. Er fiel ihr wieder ein, als sie schon im duftenden Wasser lag.
    »Es gibt Wahrheiten, die sind sogar gefährlicher als Schwerter. Die Wahrheiten nämlich, die zwei Schneiden haben. Wer nicht aufpasst, verletzt sich selber am meisten, wenn er nicht vorsichtig mit ihnen umgeht.« Einer seiner langen, merkwürdigen Blicke. »Ich möchte, dass Ihr gut auf Euch achtgebt, Frau Bela! Versprecht Ihr mir das?«

Sieben
    Der Fluss war noch sehr kalt, obwohl es schon auf Mitte Mai zuging und Pfingsten bevorstand; sie würde es schnell tun müssen, um ja nicht doch vorzeitig den Mut zu verlieren. Anna kannte die Temperatur des fließenden Wassers von den Arbeiten am Blaubach ganz genau. Außerdem hatte sie gestern und vorgestern Hilla und der Magd bei der großen Wäsche helfen müssen und mit reichlich gemischten Gefühlen die Spuren von Hühnerblut aus den leinenen Binden geschrubbt, mit denen sie sie Tage zuvor eigenhändig getränkt hatte. Es gab keinen Zweifel mehr über ihren Zustand. Aber bis jetzt hatte niemand aus der Familie etwas gemerkt. Dafür hatte sie peinliche Vorsorge getragen, das häufige Erbrechen nach Möglichkeit verborgen, bis es schließlich von selber abgeklungen war, die Nähte des Kleides heimlich herausgelassen, obwohl sie wegen der ständigen Übelkeit der letzten drei Monate eher schmaler als dicker geworden war. Was sich allerdings alsbald ändern würde. Nur - dann würde sie nicht mehr am Leben sein. Thekla, ihre Großmutter, war im Rhein gestorben. Ein Unfall, wie man überall im Färberviertel erzählte. Und sie war entschlossen, ihr zu folgen. Vielleicht waren die Leute gnädig genug, auch ihr ein solches Unglück zuzugestehen.
    Früh am Morgen war sie aus dem Haus geschlichen, als noch kaum jemand auf den Gassen unterwegs gewesen war, außer ein paar Katzen, die ihr träge um die Beine strichen, und einigen schlaftrunkenen Bettlern, die müde blinzelnd und ohne rechte Erwartung die Hand nach ihr ausstreckten. Sie hörte das Zerreißen ihres alten Kleides, als sie beim Hinausgehen an einem Nagel an der Tür hängenblieb, und musste unwillkürlich lächeln. Was machte das jetzt schon noch aus? Sie trug bereits ihr Totenhemd darunter, ein Unterkleid aus festem hellem Leinen, verziert mit einer schönen Spitzenborte aus

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