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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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Universität einschreiben.«
    »Sie? An der Universität?«
    »Ja, falls Sie mir trotz allem diesen Schein ausstellen.«
    »Dafür, mein Lieber, muss man eine höhere Schule besucht haben.«
    »Ich habe das Reifezeugnis.«
    »Und muss man Französisch können.«
    »Kann ich.«
    »Wo haben Sie das denn gelernt?«
    »Zu Hause, in Russland.«
    »Gott allein kennt Sie«, sagte er zweifelnd, »vielleicht sind Sie kein Bandit, ich behaupte das ja nicht kategorisch, faktische Beweise habe ich dafür nicht. Zeigen Sie mir mal Ihr Reifezeugnis.«
    Er schaute es sich an, dann fragte er plötzlich:
    »Warum nur mittelmäßige Noten in Algebra und Trigonometrie? Na?«
    »Ich habe keinen Hang zu den sogenannten exakten Wissenschaften.«
    »Na schön, ich gebe Ihnen den Schein. Aber sehen Sie zu, auf Ihre Verantwortung.«
    »Gut«, sagte ich, »wenn ich verhaftet und ins Gefängnis geworfen werde, versprechen ich Ihnen, mich nicht auf Sie zu berufen.«
    Ich lachte in Erinnerung an diesen Greis, sie lachte mit mir, und meine Hand spürte auf der gesamten Hautfläche, wie ihr Körper zuckte. Dann stand sie auf, schaute mich an, vorwurfsvoll, wie mir schien, zog die Vorhänge vor, und im Zimmer wurde es dunkel und grau. Und erst in dieser Dunkelheit hörte ich die Musik aus der oberen Wohnung, wo jemand Klavier spielte, sehr markant und langsam, und der Eindruck war, als ob auf flüssiges Glas, nacheinander, riesige Klangtropfen fielen.
    * * *

Mir konnte nicht verborgen bleiben, worin die Besonderheit meines Verhältnisses zu ihr vor allem bestand, nämlich dass es keinen Augenblick mehr zu geben schien, da ich nicht ein ständiges, heftiges Gefühl empfunden hätte. Wenn es nicht der Wunsch nach ihrer Nähe war, so war es Zärtlichkeit, wenn es nicht Zärtlichkeit war, so war es eine ganze Abfolge anderer Gefühle oder Gemütszustände, zu deren Bestimmung ich weder die Wörter kannte noch einen Weg, um diese Wörter zu finden. Jedenfalls verdankte ich ihrer Existenz, dass sich eine Welt auftat, die ich bisher nicht gekannt hatte. Ich hatte mir nicht vorstellen können, was die körperliche Nähe einer Frau bedeutet – der Gedanke erschien mir seltsam, ich könnte das mit meinen früheren Liebesaffären vergleichen. Ich hatte gewusst, dass jede Liebe im Grunde unwiederholbar ist, aber das war eine sehr schematische und ungefähre Annahme gewesen; bei einigermaßen aufmerksamer Betrachtung ließ sich immer eine Ähnlichkeit finden, die Unwiederholbarkeit bestand aus wenigen zufälligen Nuancen weniger zufälliger Intonationen. Diesmal war es etwas anderes, entsprach nicht dem Vorhergegangenen, und in meinem gesamten seelischen Erfahrungsschatz fand ich nichts, was an meinen jetzigen Zustand erinnert hätte. Es kam mir vor, als werde mir nach der zerstörerischen Anstrengung dieser Liebe keine Kraft mehr bleiben für irgendein anderes Gefühl und als sei der unerträglichen Erinnerung dann gewiss nichts vergleichbar. Wo ich auch war und was ich auch tat, ich brauchte nur einige Augenblicke meinen Gedanken nachzuhängen, und vor mir erschien ihr Gesicht mit den fernen Augen, ihr Lächeln, in dem eine so naive Schamlosigkeit steckte, als stünde sie nackt und bloß vor mir. Zugleich aber, wie heftig es mich auch körperlich zu ihr hinzog, glich das keiner stürmischen Leidenschaft, weil es, wie mir schien, stets von eiskalter Reinheit durchströmt war sowie von einer erstaunlichen, für mich untypischen Uneigennützigkeit. Ich hatte nicht gewusst, dass ich zu solchen Gefühlen fähig war; doch nehme ich an, dass sie nur ihr gegenüber möglich waren, und darin lag für mich die wahre Unwiederholbarkeit und Außerordentlichkeit dieser Frau.
    Wie immer, wenn in meinem Leben etwas Neues vor mir auftauchte, konnte ich auch diesmal nicht sagen, was diesem Neuen zur Existenz verholfen hatte. Dachte ich darüber nach, worin eigentlich Jelena Nikolajewnas für mich unwiderstehliche Anziehungskraft bestand, fand ich keine Antwort. Ich hatte Frauen gekannt, die schöner waren als sie, ich hatte melodischere Stimmen gehört als ihre Stimme; ihr unbewegliches Gesicht und die herabsetzend ruhigen Augen hätten auf mich, sollte man meinen, einen eher bedrückenden Eindruck machen müssen. Jene seelische Wärme, die ich so schätzte, ging ihr fast völlig ab, sie kannte fast keine Zärtlichkeit, besser gesagt, diese kam äußerst selten und stets gleichsam widerstrebend zum Vorschein. Sie hatte so gar nichts »Bezauberndes«, dieser Begriff passte

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