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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wo rufen Sie an?« fragte ich gespannt.
    »Aus dem Haus der Toten. Ich bin gerade angekommen. Auch so eine Ungereimtheit: Die Hintertür war nicht abgeschlossen.«
    Ich hörte mein Garagentor. »Gott sei Dank! Bleiben Sie am Apparat, Marino!« Eine Welle der Erleichterung überflutete mich, als die Küchentür geöffnet wurde. Tragtüten raschelten. Ich deckte die Sprechmuschel mit der Hand zu und rief: »Lucy, bist du’s?«
    »Nein, es ist Frosty, der Schneemann. Ist das ein Wetter! Der Winter in Richmond ist wirklich ein Erlebnis!«
    »Da bin ich wieder«, sagte ich zu Marino und griff nach Papier und Kugelschreiber. »Geben Sie mir den Namen und die Adresse der Toten!«
    »Jennifer Deighton, zwo-eins-sieben in der Ewing Avenue.« Der Name sagte mir nichts. Die Ewing Avenue lag unweit des Flughafens in einer mir wenig vertrauten Gegend. Ich versprach zu kommen und legte auf. Als Lucy ins Arbeitszimmer kam, fuhr ich sie an: »Wo zum Teufel bist du gewesen?«
    Ihr Lächeln erlosch. »Ich habe Besorgungen gemacht.«
    »Wir reden später darüber. Ich muß weg.«
    »Jetzt noch?«
    »Tut mir leid, die Leute nehmen beim Sterben keine Rücksicht auf meinen Zeitplan.«
    Ich holte Mantel und Handschuhe, lief zur Garage hinüber, ließ den Motor an und studierte an Hand der Karte die Wegbeschreibung, die Marino mir gegeben hatte.
    Als ich aufschaute, war die Garage bereits durch Abgase vernebelt. »Verdammt!« schimpfte ich über meine Gedankenlosigkeit und betätigte hastig den automatischen Türöffner. In meinem Viertel war niemand auf der Straße, und auch auf dem Downtown Expressway herrschte kaum Verkehr. Aus dem Autoradio klang Weihnachtsmusik. Ich war verwirrt, und Furcht kroch in mir hoch: Diese Jennifer Deighton hatte wiederholt meine Nummer gewählt, oder jemand, der ihr Telefon benutzte, und jetzt war sie tot… Ich erreichte die Hochstraße, die über das Ostende der Innenstadt führte. Unter mir durchschnitten kreuz und quer Eisenbahnschienen die Erde wie böse Wunden, und die Betonparksilos waren höher als die meisten Geschäftshäuser. Das Ziegeldach der Main Street Station hatte eine dicke weiße Mütze auf, die Uhr am Turm war teilweise zugeschneit. Hinter einem Einkaufszentrum an der Grenze zu Henrico begann die Ewing Avenue. Vor den kleinen Häusern parkten Pick-ups und betagte Limousinen. Bei Nummer zweihundertsiebzehn standen Polizeifahrzeuge in der Einfahrt und auf beiden Straßenseiten. Auch eine Ambulanz war da.
    Ich parkte hinter Marinos weißem Ford und stieg aus. Die Garage stand offen, und das Innere war hell erleuchtet. Marino hockte auf der Fahrerseite neben der hinteren Tür eines verbeulten beigen Chevrolets und musterte den Schlauch, der vom Auspuff ins Wageninnere führte.
    »Die Zündung ist eingeschaltet«, sagte er statt einer Begrüßung, als ich zu ihm trat. »Der Motor starb irgendwann ab, weil das Benzin alle war.«
    Die Tote saß hinter dem Steuer, der Kopf war nach vorne gesunken. Ich öffnete meine Tasche und holte ein Paar Chirurgenhandschuhe heraus. Dann bat ich einen jungen Beamten, die Fahrertür zu öffnen.
    »Wir wollten gerade Fingerabdrücke von den Türgriffen nehmen«, sagte er.
    »Dann warte ich.«
    »Johnson, beeilen Sie sich, damit Doktor Scarpetta in den Wagen kann!« Dunkle, südländische Augen schauten mich an. »Ich bin Tom Lucero. Bei diesem Selbstmord gibt es ein paar Merkwürdigkeiten: Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Mensch bei dieser Kälte das Haus im Morgenrock verläßt, und es erscheint mir äußerst unwahrscheinlich, daß eine Frau, die vorhat, sich umzubringen, sich vorher die Haare eindreht.«
    »Das ist in der Tat merkwürdig«, stimmte ich zu. Die Lockenwickler waren mir als erstes aufgefallen.
    Johnson von der Spurensicherung hatte die Untersuchung der Türgriffe beendet.
    »Wann sind Sie hergekommen?« fragte ich Lucero.
    »Vor etwa anderthalb Stunden. Die Kühlerhaube war kalt. Das Benzin muß schon eine ganze Weile vor unserem Eintreffen ausgegangen sein.«
    Ich öffnete die Fahrertür, legte einen Finger unter das Kinn der Toten und hob den Kopf an. Ich schätzte sie auf Mitte fünfzig, und ich war sicher, daß ich sie noch nie gesehen hatte. Die gebleichten Haare waren dunkel nachgewachsen. Die Frau war beträchtlich übergewichtig, doch man konnte erkennen, daß sie in jüngeren und schlankeren Jahren recht hübsch gewesen sein mußte.
    Als ich mir ihre Hände ansah, stach mir etwas unter ihrem rechten Zeigefingernagel ins Auge. Ich

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