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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ihm sprechen, Benton.«
    Wesley tat, als hätte ich gar nichts gesagt. »Vielleicht können Sie ihm unter einem Vorwand Briefe oder Dokumente abluchsen, auf denen sich Fingerabdrücke Waddells befinden. Vielleicht sagt er im Laufe des Gesprächs etwas, das uns weiterhilft. Marino und ich kennen ihn überhaupt nicht. Wenn wir uns an ihn wendeten, hätte das zwangsläufig einen hochoffiziellen Charakter, und genau das möchte ich vermeiden. Außerdem fahren Sie doch ohnehin nach D. C. – zu Dauney.«
    »Ich mache es nicht«, lehnte ich entschieden ab.
    »Na schön. Es war nur so ein Gedanke.« Er bedeutete der Bedienung, die Rechnung zu bringen. »Wie lange bleibt Lucy bei Ihnen?«
    »Sie hat am 7. Januar wieder Schule.«
    »Marino sagte, daß sie sich ziemlich gut mit Computern auskennt.«
    »Das hat er gesagt? Ihr gegenüber tut er immer, als glaube er, sie könne nicht bis drei zählen. Aber ›ziemlich gut‹ ist untertrieben: Sie ist ein As!«
    Meine Begeisterung entlockte Wesley ein schwaches Lächeln. »Er sagte, sie traue sich zu, herauszufinden, ob in AFIS herumgepfuscht wurde.«
    »Jedenfalls würde sie es gerne versuchen.« Ich war hin-und hergerissen: Einerseits wollte ich meine Nichte nicht in die Geschichte hineinziehen, andererseits brannte ich darauf, mit ihrer Hilfe das Rätsel zu lösen.
    »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen je erzählt habe, daß Michele beim Department of Criminal Justice Services angestellt ist, das bezüglich AFIS mit der Staatspolizei zusammenarbeitet«, sagte Wesley.
    »Ich könnte mir vorstellen, daß Sie das jetzt ziemlich beunruhigt.« Ich trank meinen Cognac aus.
    »Es gibt keinen Tag in meinem Leben, an dem mich nicht irgend etwas beunruhigt«, erwiderte er.
    Als Lucy und ich am nächsten Morgen Skisachen anzogen, die man sicherlich noch von der Eigernordwand aus hätte sehen können, begann es leicht zu schneien.
    »Ich komme mir vor wie eine Verkehrsampel«, schimpfte meine Nichte mit einem mißgünstigen Blick auf ihr Spiegelbild.
    »Mecker nicht! So gehst du in der feindlichen Natur wenigstens nicht verloren.«
    Lucy musterte mein Outfit, das ebenso auffällig war wie das ihre, und schüttelte den Kopf. »Wenn ich an die konservativen Sachen in deinem Kleiderschrank in Richmond denke, dann ist diese Aufmachung einigermaßen verblüffend.«
    »Ich bin eben flexibel. Hast du Hunger?«
    »Ich bin schon ganz zittrig.«
    »Benton wird um halb neun im Speisesaal sein. Aber wir können natürlich auch schon jetzt runtergehen, wenn du nich t bis dahin warten willst.«
    »Ich bin soweit. Frühstückt Connie nicht mit uns?«
    »Wir treffen sie am Hang. Benton will erst noch mit mir reden.«
    »Sie leidet bestimmt darunter, immer ausgeschlossen zu sein«, meinte Lucy.
    Ich sperrte unsere Zimmertür ab, und wir gingen den ruhigen Korridor hinunter. »Ich glaube, sie möchte gar nicht einbezogen werden.« Unwillkürlich sprach ich mit gedämpfter Stimme. »Ich denke, sie würde es als Belastung empfinden.«
    »Ihr versteht euch gut – Mr. Wesley und du, meine ich.«
    »Unsere Arbeit verbindet uns.«
    »Und die ist für euch das Wichtigste.«
    »Sie ist der dominierende Faktor in unserem Leben.«
    »Habt ihr ein Verhältnis miteinander?« fragte Lucy, als wir in den Aufzug traten.
    Ich schaute sie verblüfft an, und dann lachte ich. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
    »Na ja – wo ihr euch so ähnlich seid…«
    »Das wäre eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine Beziehung. Aber es ist gar keine Rede davon.«
    Das Frühstücksbuffet des Homestead-Hotels war überwältigend: Schinken und Speck aus Virginia, alle erdenklichen Zubereitungen von Eiern, Pasteten, Pfannkuchen und eine üppige Auswahl an Brotsorten. Lucy stand ratlos vor der Vielfalt und wandte sich dann den Frühstücksflocken und dem Obst zu. Ihr gutes Beispiel und die Erinnerung an meine gesundheitlichen Ermahnungen für Marino zwangen mich, auf alles zu verzichten, worauf ich Lust hatte – einschließlich des Kaffees.
    »Die Leute starren dich an, Tante Kay«, flüsterte Lucy mir zu.
    Ich nahm an, daß unsere auffallende Kleidung der Grund für das allgemeine Interesse war – bis ich die »Washington Post« ansah, die ich mir an den Tisch hatte bringen lassen: MORD IM LEICHENSCHAUHAUS lautete die Schlagzeile, die wieder einmal aus Sensationsmache an der Wahrheit vorbeiging. In dem dazugehörigen Artikel wurde ausführlich über Susans Ermordung berichtet – und die Illustration bildete ein großes Foto von

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