Pharmakon
Spontaneität geopfert.«
Adam wollte gerade protestieren, besann sich jedoch eines Besseren. Er war sich sicher, daß der Ausdruck ›ein wenig Spontaneität werde geopfert‹ die Art der Gesellschaft sei, die Nebenwirkungen des Präparates herunterzuspielen. Den Stewards auf der Fjord und Pflegern in der Julian-Klinik fehlte allerdings ›ein wenig Spontaneität‹.
»Was ist der Name dieses neuen Präparats?« fragte Adam statt dessen.
»Wissenschaftlicher, generischer Name oder Handelsname?« fragte Dr. Mitchell, der von seinem Monolog noch außer Atem war.
»Handelsname.«
»Conformin«, sagte Dr. Mitchell.
»Wäre es möglich, daß ich eine Probe bekommen könnte?«
»Sie werden so viele Proben bekommen, wie Sie nur wollen, wenn das Medikament auf den Markt kommt«, sagte Dr. Mitchell. »Wir warten auf die FDA-Freigabe.«
»Nur eine kleine Menge?« fragte Adam. »Ich würde gerne sehen, wie es verpackt ist. Als Verkaufsvertreter habe ich gelernt, wie wichtig das ist.«
Dr. Mitchell sah Adam merkwürdig an. »Vielleicht eine kleine Menge«, murmelte er.
Adam verfolgte das Thema nicht weiter und sagte:
»Wenn das Medikament kurz vor der Freigabe steht, dann haben Sie schon mit Tests an Menschen begonnen.«
»Aber ja doch«, sagte Dr. Mitchell, dessen Gesicht sich augenblicklich aufhellte. »Wir verwenden das Präparat schon seit einigen Jahren am Menschen, bei Patienten mit schwer zu behandelnden psychiatrischen Problemen, die von überall in der Welt zu uns gebracht werden. Das Medikament hat sich als hundert Prozent wirksam erwiesen.«
»Ich würde gerne die Krankenstation besuchen«, sagte Adam.
»Morgen«, sagte Dr. Mitchell. »Im Augenblick würde ich Ihnen gerne unser chemisches Hauptlabor zeigen. Es ist eines der fortschrittlichsten in der ganzen Welt.«
In Adams Denken gab es keinen Zweifel, daß die Forschungsanlagen Arolens hervorragend waren, besonders, wenn man sie mit denen im Universitätskrankenhaus verglich, wo die finanzielle Lage so knapp war, daß jeder Bleistift in den Zuschußanforderungen eingeschlossen werden mußte. Aber nachdem er so viele Labors gesehen hatte, wurde es Adam langweilig. Er versuchte, interessiert auszusehen, aber je länger die Tour dauerte, desto schwieriger wurde das.
»Ich finde, das sollte für heute abend reichen«, sagte Dr. Nachman schließlich. »Wir wollen Mr. Schonberg an seinem ersten Abend mit uns nicht gleich erschöpfen.«
»Dem stimme ich zu«, sagte Dr. Glover. »Wir haben ja auch nur eine halbe Stunde in meiner Abteilung verbracht.«
»Weil hier eben mehr zu sehen ist«, sagte Dr. Mitchell.
»Meine Herren!« warf Dr. Nachman ein und hob seine Hände hoch.
»Es hat mir alles sehr gefallen«, protestierte Adam, benutzte aber vorsichtigerweise eine Vergangenheitsform, um nicht Dr. Mitchell zu einer Zugabe zu ermutigen.
Sie gingen den Hauptkorridor hinunter und über die Verbindungsbrücke zum äußeren Gebäude zurück. Adam hielt an und blickte sich um. Er konnte erkennen, daß die Brücke jenseits des Korridors zu einem dritten inneren Gebäude führte, das durch schwere Stahltüren verschlossen war.
»Was ist denn da drüben?« fragte Adam.
»Die klinischen Abteilungen«, sagte Dr. Nachman. »Sie werden sie morgen zu sehen bekommen.«
Das muß der Ort sein, wo die psychiatrische Abteilung untergebracht ist, dachte Adam. Er zögerte einen Augenblick und folgte dann Nachman zur Eingangshalle hinaus, wo sie sich alle eine gute Nacht wünschten.
Es war Viertel vor zwölf, und obgleich Adam einen anstrengenden Tag gehabt hatte, war er nicht müde. Ein dumpfer Kopfschmerz begann hinter seinen Augen, und er konnte nicht vergessen, daß er nur noch zwei Tage hatte, um überzeugende, konkrete Beweise vorzulegen. Selbst wenn er eine Probe Conformin bekommen könnte, würde es eine gewisse Zeit dauern, sie zu analysieren, und dann noch mehr Zeit, um jemanden wie Vandermer zu überzeugen, sich selbst überprüfen zu lassen, um festzustellen, ob er damit behandelt worden sei. Da er wußte, daß an Schlaf nicht zu denken war, öffnete Adam seine Tür und ging den ganzen Korridor entlang bis zum Aufzug. Ein kleines Hinweisschild sagte: »Aufzug zur Badeabteilung«.
Nachdem er zum Erdgeschoß hinuntergegangen war, fand sich Adam in einem dicht bewachsenen Park mit Palmen, Bambus und Farnen wieder. Ein gewundener Pfad führte durch die üppige Vegetation. Als er ihm folgte, erreichte Adam den Strand.
Er zog seine Schuhe aus und trat in den
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