Pharmakon
Mutter mit einer Geste an, sie möchten auf den Stühlen vor seinem Schreibtisch Platz nehmen. Als sie sein Gesicht sah, wußte Jennifer, daß etwas ernstlich schiefgegangen war.
»Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten«, sagte er mit einer Stimme, die keinerlei Emotionen verriet.
Jennifer fühlte, wie ihr Herz einen Sprung machte. Ganz plötzlich schien es ihr unglaublich heiß im Zimmer zu sein.
»Normalerweise dauerte es zwei Wochen, die Ergebnisse einer Amniocentesis zu bekommen«, sagte Dr. Vandermer. »Der Grund liegt darin, daß Gewebekulturen angelegt werden müssen, um das Untersuchungsmaterial richtig beurteilen zu können. Gelegentlich ist die Abnormität jedoch so augenfällig, daß die frei im Fruchtwasser schwebenden Zellen schon alles sagen. Jennifer, wie Ihre Mutter tragen Sie ein mongoloides Baby mit einem Downs-Syndrom. Das Karyotyp gibt zu ernstesten Befürchtungen Anlaß.«
Jennifer war sprachlos. Da mußte ein Fehler vorliegen. Sie konnte nicht glauben, daß ihr Körper sie täusche und irgendeine Art von Monster produziere.
»Bedeutet das, daß das Kind nicht mehr als ein paar Wochen leben wird?« fragte Mrs. Carson, während sie mit ihren eigenen Erinnerungen kämpfte.
»Wir sind der Ansicht, daß das Baby nicht lebensfähig wird«, sagte Dr. Vandermer. Er ging zu Jennifer hinüber und legte einen Arm um ihre Schultern. »Es tut mir leid, der Überbringer solch schlechter Nachrichten zu sein. Ich hätte auf die endgültigen Resultate gewartet, wenn es nicht besser für Sie wäre, jetzt schon im Bild zu sein. Es verschafft Ihnen mehr Zeit, eine Entscheidung zu fällen. Es wird Ihnen nicht als großer Trost erscheinen, aber versuchen Sie sich daran zu erinnern, daß Sie noch eine sehr junge Frau sind. Sie können noch viele Kinder haben, und wie Sie selbst schon gesagt haben, ist das nicht die beste Zeit für Sie und Adam, ein Kind zu bekommen.«
Jennifer hörte in schockiertem Schweigen zu. Dr. Vandermer wandte sich um und sah Mrs. Carson an.
»Ich finde, Sie sollten nach Hause gehen und die Situation mit Ihrer Familie diskutieren«, fuhr Dr. Vandermer fort. »Glauben Sie mir, es ist besser, jetzt zu einer Entscheidung zu kommen, als nach einer langwierigen und schwierigen Wehenphase und Entbindung.«
»Ich kann das bestätigen«, sagte Mrs. Carson. »Dr. Vandermer hat recht, Jennifer. Wir werden nach Hause fahren und das besprechen. Alles wird schon in Ordnung kommen.«
Jennifer nickte und brachte sogar ein Lächeln für Dr. Vandermer zustande, dessen Gesicht endlich eine Spur von Gefühl verriet.
»Bitte, rufen Sie mich an, wann immer Sie wollen«, sagte er, als sie sein Büro verließen.
Die beiden Frauen gingen durch die Klinik, fuhren mit dem Aufzug in die Parkgarage hinunter und holten ihren Wagen schweigend ab. Als sie die Auffahrt hinauf rollten, sagte Jennifer: »Ich möchte in meine Wohnung zurückgehen.«
»Ich dachte, wir würden direkt nach New Jersey zurückfahren«, sagte Mrs. Carson. »Ich finde, dein Vater sollte davon wissen.«
»Ich würde gerne mit Adam sprechen«, antwortete Jennifer. »Er hat nicht gesagt, wann er abfahren würde. Vielleicht erreiche ich ihn noch.«
»Vielleicht sollten wir einfach anrufen«, sagte Mrs. Carson.
»Ich würde vorziehen, direkt hinzufahren«, erwiderte Jennifer.
Mrs. Carson entschied sich, dies sei nicht der Zeitpunkt, mit ihrer Tochter zu streiten, und fuhr Jennifer in die Stadt. Als sie in die Wohnung kamen, sah Jennifer, daß Adams zwei Koffer immer noch auf dem Schrank lagen und daß keines seiner Kleidungsstücke zu fehlen schien.
Sie fühlte sich einigermaßen sicher, daß er noch nicht abgereist war.
»Nun, was willst du jetzt machen?« fragte ihre Mutter.
»Auf ihn warten und mit ihm reden«, sagte Jennifer in einem Tonfall, der keine weitere Diskussion erlaubte.
*
»Ich werde Ihnen Gebühren aufbrummen müssen, wenn das noch einmal passiert«, neckte ihn der Portier am Informationsschalter der Universität.
Adam nahm den weißen Kittel und zog ihn an.
»Ich kann einfach nicht von hier wegbleiben. Ich habe Heimweh.« Die Ärmel waren vier Zentimeter zu kurz, und auf der Tasche sah man einen großen gelben Fleck. »Was Besseres haben Sie wohl nicht«, witzelte er.
Voller Vertrauen in seine medizinische Verkleidung nahm Adam den Aufzug zur Neurologie, ging direkt zum Schwesternzimmer, lächelte den Stationspfleger an und zog Smyths Akte ein zweites Mal aus dem Schrank. Das einzige, das er wirklich
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