Phillips Bilder (German Edition)
die ich an ihm kannte, seine schwarz-braunen kräftigen Haare hatten schon lange keinen Friseur mehr gesehen. Oft hatten uns Leute für Brüder gehalten mit unseren dunklen Locken, mit denen ich ihm ähnlicher sah als seine rothaarigen Geschwister. Hier hielten uns vielleicht einige Leute für ein Liebespaar. Ich genoss diese Vorstellung, so wie ich es genoss, dass Moritz da war, und dass er lachte, und ich wurde mir meiner Einsamkeit in der Stadt bewusst.
Ich legte den Arm um Moritz’ Schulter. Er drehte sich mit einer leichten, spontanen Bewegung weg, wirkte verwirrt, rückte näher zu mir. „Ich bin nicht ...“
„Ich weiß, Moritz!“, meine Stimme hallte über den Kanal.
„Ich wollte sagen ... ist nur neu für mich.“
Ich drehte das Bier in meinen Händen. „Ich hätte es eher sagen sollen.“
Ein großer schwarzer Hund kam angerannt und schnüffelte an unseren Schultern. „Eh, nichts für ungut.“ Ein kleiner Typ in einer Lederjacke kam näher, eine geflochtene Hundeleine in der Hand. Er fasste den Hund am Halsband, tat aber nur so, als würde er ihn anleinen. „Braucht ihr was?“
„Nein, lass mal.“
„Klar, Mann.“ Er zog ab.
„Hast du jemanden?“, fragte mich Moritz.
„Nichts Festes. Hatte mit einigen was.“
„Ich hab ein klasse Mädchen kennengelernt, die Tochter vom neuen Pfarrer. Sie ist lässig.“ Er trank von seinem Bier. „Warte. Hier.“ Er zog sein Handy aus der Hosentasche und zeigte mir ein Foto. Das Mädchen hatte seine Haare auf dem Kopf unordentlich zusammengebunden, trug eine Hornbrille und lachte.
„Cool.“ Ich nickte.
Moritz steckte das Handy wieder ein. „Was waren das für Typen?“
„Ist doch egal.“
„Wie läuft das so?“
„Was jetzt?“
„Na, wie man sich kennenlernt?“
„Ganz normal eben. Man quatscht sich an, redet ein bisschen, zu mir oder zu dir?“
„Echt jetzt? Gleich in die Kiste? Wär mir zu schnell.“
„Dann lass es.“ Wir starrten beide aufs Wasser, auf die Lichter der Kneipe, von dem Abrissgrundstück tönte Musik, und wir leerten die dritte Bierflasche.
Moritz fuhr Samstagnacht wieder, nachdem wir noch einmal ziellos durch die Stadt gelaufen waren. Danach schrieben wir uns manchmal, schließlich sporadisch und immer belangloser.
Wir haben uns ein halbes Jahr nicht mehr gesehen, und erst jetzt, wo ich im Haus seines Bruders bin und auf den Regen schaue, merke ich, wie sehr ich ihn vermisse. Dass ich einen Freund verloren habe; meinen einzigen Bruder.
Am nächsten Morgen finden wir uns zum Frühstück in der Küche ein, denn es regnet immer noch. Sehr gleichmäßig jetzt, kein lauer, leichter Sommerregen, der in einer halben Stunde vergessen ist. Es ist dunkler in der Küche und ich decke missmutig den Tisch. Als Benjamin Kaffee einschenkt, steht plötzlich Seth in der Tür.
„Eine Hundekälte!“ Seth schüttelt seine Dreads, in denen Wassertropfen glänzen. Er trägt eine lange Hose und einen dunklen Pullover.
„Du bist wie Jurek.“ Benjamin holt noch ein Gedeck aus dem Schrank. Seth küsst mich mit derselben Beiläufigkeit, mit der er Benjamin begrüßt und David die Hand auf die Schulter legt. Dann hebt er Jurek vom vierten Stuhl und setzt sich, nimmt die Katze auf den Schoß.
„Immer zur rechten Zeit zur Stelle, hm“, er drückt seine Nase an Jureks Köpfchen. Der schnurrt und reckt sich Seth entgegen. Seth nimmt sich ein Brötchen, bedient sich als Erster vom Frühstückstisch. Während er anfängt zu essen, sieht er mich nicht an.
„Also Jungs, wie ist es, die nächsten Tage soll es nur regnen“, wirft Seth in die Runde.
„Und?“ Benjamin schiebt mir den Käse zu.
„Kalt ist es auch. Wir sollten hier mal raus. Ich hab schon mit Niko geredet, wir kriegen seinen Bus. Er schuldet mir noch was. Und ihr habt doch bestimmt paar Vorräte. Heute Nacht sind wir schon unten.“
„Wo unten?“, fragt David.
„Am Meer, in Italien, egal wo. Ihr habt doch sonst auch keinen Urlaub.“
„Du spinnst“, sagt Benjamin.
„Einmal im Jahr sollte man am Meer sein“, antwortet Seth.
„Ich war noch nie am Meer“, mische ich mich ein.
Seth wendet sich mir zu: „Siehst du!“ Er lächelt mich an und legt die Hand auf meinen Unterarm. Ich lasse das Saftglas sinken.
„Wie auch immer“, wirft Benjamin ein, „ich muss arbeiten und David auch und wir haben ’ne Katze und so Kram.“
„Ich muss erst Montag wieder, und du nur heute“, wendet David ein.
„Wir holen dich nach der Arbeit ab“, sagt Seth zu
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