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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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Knechtschaft«,
     geschrieben, in der er sich gegen den Machtpragmatismus des Italieners Niccolò Machiavelli wandte und zum Widerstand gegen
     jede Tyrannei aufrief.
    Die Jahre des intensiven geistigen Austauschs mit La Boëtie hat Montaigne später als die wichtigsten und glücklichsten seines
     Lebens bezeichnet. In seinem Essay »Über die Freundschaft«, der sich wie ein Nachruf auf seinen Freund liest, stellt er, in
     der Tradition der antiken Philosophie, die Freundschaft zwischen Männern weit über jede andere Beziehung.
    Der frühe Tod La Boëties, der 1563 an der Ruhr starb, bedeutete für Montaigne eine tief greifende Zäsur, eine emotionale Erschütterung,
     die seinem Leben eine neue Richtung gab. Montaigne beginnt nun, seine äußeren Lebensumstände endgültig zu regeln, sich aber
     gleichzeitig vom öffentlichen Leben zu distanzieren. Er geht in eine Art |54| selbst gewählter innerer Emigration. 1565 heiratet er die Tochter eines Ratskollegen, 1568, nach dem Tod des Vaters, tritt
     er das Erbe des Familienbesitzes an. Doch beides, Ehe und Vermögen, sollten in seinen Schriften kaum eine Rolle spielen.
    Montaigne baut sich die Fassade einer konventionellen Existenz auf, hinter der sich nun sein eigentliches Leben, das des Weltweisen,
     abspielt. Am 28.   Februar 1571 fällt der endgültige Entschluss, sich in den Turm seines Schlosses zurückzuziehen, in dem er sich ein Arbeitszimmer
     und eine Bibliothek eingerichtet hat. In den folgenden zwanzig Jahren bis zu seinem Tod wird er zwar vereinzelt Reisen antreten
     oder Ämter und Missionen übernehmen. Die ganz überwiegende Zeit jedoch ist jenem Prozess der geistigen Aneignung und Auseinandersetzung
     gewidmet, aus dem schließlich die
Essais
hervorgehen.
    An die Stelle der Gespräche mit dem Freund tritt nun der intime Umgang mit den Büchern, der über die Lektüre zum Schreiben
     führt. Montaigne beginnt, Exzerpte zu machen und Zitate zu entnehmen. Sogar die Decke des Turmzimmers wird mit Merksprüchen
     und Lektürenotizen versehen. Wenn auch der heutige Leser der
Essais
die zahlreichen und scheinbar wahllos eingestreuten Zitate möglicherweise als überflüssigen Ballast ansehen mag, so liegt
     in ihnen doch der Kern, aus dem sich die neue literarische Form des Essays entwickelt hat. Montaigne selbst hat diese Form
     mit einem Wandgemälde verglichen, das mit unzusammenhängenden Grotesken gefüllt ist. Vor allem im ersten Band seines Werks,
     in dem die einzelnen Essays noch erheblich kürzer sind als in den nachfolgenden Bänden, kann man die Spuren eines Schreibprozesses
     entdecken, der als Kommentierung und Erläuterung einzelner Sprichwörter, Anekdoten oder Zitate begonnen hat und zu einem locker
     strukturierten Text auswucherte.
    Besonders häufig bezog Montaigne sich dabei auf Autoren der römischen Spätantike, die für ihn immer eine große Anziehungskraft
     behielten. Die spätantiken Philosophenschulen legten keine großartigen philosophischen Systeme mehr vor, sondern betrieben
     Philosophie als eine praktische Orientierungswissenschaft und als Lebenshilfe. |55| Seine beiden Lieblingsautoren waren der griechische Philosoph und Historiker Plutarch sowie Seneca, einer der bekanntesten
     römischen Vertreter der Stoiker. Durch sie wurde er zu seiner literarischen Form inspiriert, aus ihnen schöpfte er seine Lebenshaltung,
     die ihm gebot, jede Art von Extremen zu meiden. In dem Essay »Verteidigung Senecas und Plutarchs« geht er sogar so weit zu
     behaupten, sein Buch sei »allein aus ihren Spänen gezimmert«. Vor allem Plutarchs Neigung, Persönliches und Anekdotisches
     mit frei assoziierenden Reflexionen zu verbinden, hat Montaignes Schreiben beeinflusst.
    Montaigne hat dieses Schreiben einer höchst unruhigen und gefährlichen Umwelt abgetrotzt. In Frankreich herrschte seit Mitte
     des Jahrhunderts ein religiös motivierter Bürgerkrieg zwischen protestantischen Hugenotten und königstreuen Katholiken. In
     der berüchtigten Bartholomäusnacht von 1572 wurden in Paris mehr als zwanzigtausend Hugenotten ermordet. Attentate, Plünderungen
     und die Ermordung Unschuldiger waren an der Tagesordnung. Die Region um Bordeaux lag zwischen den Fronten, war also unmittelbares
     Bürgerkriegsgebiet. Montaigne bekannte sich zum Katholizismus, pflegte jedoch auch immer Kontakte zur protestantischen Seite.
     Dies bewahrte ihn jedoch nicht davor, mehrfach in seinem Schloss überfallen und mit dem Tod bedroht zu werden. Mehrere Male
    

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