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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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Nächstenliebe – sie werden zu Merkmalen der Dekadenz. Der Übermensch vertraut dem Leib eher
     als dem Intellekt, und er ist der Erde zugewandt, die für ihn keine tote Materie, sondern eine schöpferische, sich wandelnde
     Kraft ist.
    In dieser neuen Sicht der Erde und der Welt wird Nietzsches Gegensatz zu Schopenhauer am offensichtlichsten. Die alles durchwaltende
     Kraft, die die Welt beherrscht, sieht er in einem positiven Licht. Sie ist das Dionysische, sie ist Trieb, Rausch und Entfaltung
     von Vitalität. Die durch den Leib und die Erde wirkende Kraft und Energie, die Schopenhauer »Wille« nannte und die er für
     ziellos und sich selbst widerstreitend hielt, ist für Nietzsche die Quelle aller wahren Werte und Tugenden. Er tauft deshalb
     den Schopenhauerschen Willen um in »Wille zur Macht«. Um ihn geht es vor allem im zweiten Teil des Buches. Dabei denkt Nietzsche
     nicht in erster Linie an politische Macht, sondern an eine Energie, die den Menschen höher |175| und weiter, bis zur Selbstvervollkommnung, treibt. Nietzsche nennt ihn auch den »unerschöpften zeugenden Lebens-Willen«.
    »Schaffen«, »Zeugen«, »Werden« – dies sind einige der wichtigsten Attribute, die diese positiv verstandene Kraft für Nietzsche
     hat. Mit dem »Willen zur Macht« hat Nietzsche, obwohl ein erklärter Gegner der Metaphysik, selbst wiederum die Welt metaphysisch
     gedeutet. Sie ist in ihrem wahren Kern dionysisch und Zarathustra ist ihr Prophet. Er spricht im Geist des Dionysos.
    Aber auch damit hatte Nietzsche noch nicht seinen »tiefsten Gedanken« enthüllt, die Eingebung der »Ewigen Wiederkehr des Gleichen«,
     die ihm beim Spaziergang am Silvaplaner See gekommen war. Sie wird im dritten Teil des Buches ausgesprochen. Auch hier verzichtet
     Nietzsche nicht darauf, eine biblische Parallele zu ziehen. Während Gott im Buch Genesis sieben Tage für die Erschaffung der
     Welt braucht, muss sich Zarathustra sieben Tage zurückziehen und ruhen, bis er die Kraft hat, seinen Gedanken auszusprechen.
     Die Welt ist ein Tanz, ein unschuldiges Spiel, ein stetig sich erneuerndes Werden, dem eine ewig wirkende schöpferische Kraft
     zugrunde liegt.
    Nietzsche fasst den ewigen Kreislauf der Zeit in ein Gleichnis: Jeder Augenblick ist ein Torweg, von dem eine unendliche Gasse
     rückwärts und auch vorwärts verläuft. Die beiden Gassen müssen sich irgendwo treffen. Da aber die Zahl der möglichen Ereignisse
     endlich ist, muss jedes Ereignis schon einmal stattgefunden haben und wird sich auch noch unendlich oft wiederholen. Alles,
     was sich jemals ereignet hat, wird sich immer wieder ereignen: »Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins.
     Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins« – so heißt es in dem Kapitel »Der Genesende«.
    Damit hat Nietzsche von der alten, christlich geprägten Vorstellung von Zeit Abschied genommen, nach der die Geschichte wie
     eine gerade Linie auf ein Ziel zuläuft und sich irgendwann einmal erfüllt. Stattdessen erneuert er eine Geschichtsauffassung,
     die schon von den frühen Griechen, so zum Beispiel von Heraklit, vertreten wurde: dass die Veränderungen in der Welt nur die
     Oberfläche eines sich |176| nach unabänderlichen Gesetzen vollziehenden, ewigen Kreislaufs sind. Wir leben nicht in einer endlichen Welt, die einem ewigen
     Jenseits gegenübersteht. Die Welt selbst, unsere diesseitige Welt, ist ewig. Das Ja-Sagen zur Welt bedeutet damit auch das
     Ja-Sagen zur Ewigkeit. In Nietzsches Kapitel »Die sieben Siegel, oder: das Ja- und Amen-Lied« endet jede Strophe mit der Wendung:
     »Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit.« Nietzsche fordert vom Menschen eine heroische Haltung, die das Unabänderliche akzeptiert,
     die sich aber gleichzeitig mit Leichtigkeit und Heiterkeit der Welt zuwendet.
    Nietzsche hat sich selbst als Nihilisten (von lateinisch »nihil«= nichts) bezeichnet, als jemanden also, der keinerlei Werte
     mehr anerkennt. Im
Zarathustra
ist er allerdings über die Kritik und die Ablehnung der alten Werte hinausgegangen. Mit seiner Lehre vom Übermenschen, vom
     Willen zur Macht und von der Ewigen Wiederkehr des Gleichen hat Nietzsche dem Nihilismus eine neue Lehre vom Menschen, eine
     neue Tugendlehre und eine neue Metaphysik entgegengesetzt.
    Als Nihilisten kann man viel eher jene Figuren bezeichnen, mit denen Zarathustra im vierten Teil des Buches, in einer Parodie
     der letzten Zusammenkunft Jesus’ mit seinen Jüngern,

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