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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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umfangreich geplanter zweiter Teil, der den Begriff des Seins in der Philosophiegeschichte beleuchten wollte.
    Heidegger beginnt mit einer »Daseinsanalytik«, also einer Analyse dessen, was den Menschen von anderem »Seienden« unterscheidet.
     Im Mittelpunkt steht dabei nicht der bewusste, sich selbst verwirklichende |202| Mensch, sondern der normale Alltagsmensch, der in seine gewohnte Welt eingebunden ist und sein Leben nicht als Problem empfindet.
     Für diesen Zustand hat Heidegger den Begriff »Uneigentlichkeit« eingeführt. Dem steht die »Eigentlichkeit« entgegen, der Zustand,
     in dem der Mensch auf die Bedingungen seiner Existenz bewusst reagiert.
    Um die Bedingungen des normalen Alltagslebens zu analysieren, stützt sich Heidegger vor allem auf zwei Ansätze: auf Husserls
     phänomenologische »Einstellung«, die sich nun auf die Lebenswelt richtet; und auf Wilhelm Diltheys »Hermeneutik«, die Lehre
     vom Verstehen des menschlichen Erlebens. Heidegger will eine »Daseinshermeneutik« betreiben, das heißt, er will die Art, wie
     Dinge und Menschen in alltäglichen Verrichtungen aufeinander bezogen und miteinander verflochten sind, aufdecken und in einer
     neuen Weise interpretieren, so dass Aussagen über den Menschen insgesamt möglich werden.
    Heidegger fasst die Grundbeziehungen des menschlichen Lebens mit dem Begriff »In-der-Welt-sein« zusammen. Dazu gehören zum
     einen die Beziehungen des Menschen zu den Dingen und zum anderen die Beziehungen des Menschen zu anderen Menschen. Der Mensch
     befindet sich immer in einer »Situation« gegenüber Dingen und anderen Menschen. Wenn wir das Wesentliche am Menschen erfassen
     wollen, müssen wir den Blick auf die Grundsituationen des Menschen freilegen.
    Die Dinge sind wie der Mensch Teil einer gemeinsamen »Umwelt«, in der beide aufeinander bezogen sind und beide aufeinander
     verweisen. Der Bezug der Dinge zum Menschen entsteht durch den Gebrauch und den Nutzen. Deshalb bezeichnet Heidegger die Dinge
     auch als »Zeug«. Es ist dies eine seiner typischen Wortschöpfungen. Ganz bewusst erinnert sie an Begriffe wie »Werkzeug« oder
     »Schreibzeug«. Das Zeug ist für den Menschen ein Instrument, es hat eine Funktion in seinem Leben. Es dient zu etwas. Die
     Dinge sind nicht, wie die traditionelle Philosophie dachte, einfach »vorhanden«. Sie sind vielmehr »zuhanden«, sie sind dazu
     da, dem Menschen »zur Hand« zu sein. Die menschliche Umwelt ist durch »Zuhandenheit« |203| geprägt, durch eine Vertrautheit, die durch den täglichen Umgang entstanden ist.
    Ein anderes Merkmal des »In-der-Welt-seins« ist das »Mitsein«, die Tatsache, dass der Mensch nie alleine lebt, sondern immer
     auf andere Menschen bezogen ist. Allerdings hat dieses »Mitsein« im Alltag eine ganz bestimmte Form angenommen, nämlich die
     der Angepasstheit und Konformität. Statt dass wir selbst in der Auseinandersetzung mit anderen unserem Leben eine bestimmte
     Richtung geben, versuchen wir, nicht aufzufallen, und bemühen uns so, wie die anderen zu sein. Wir geben die Verantwortung
     für unser Leben an eine merkwürdig gesichtslose und neutrale Instanz ab, sei es der Zeitgeist, der Massengeschmack oder die
     Sitte.
    Heidegger nennt diese Instanz das »Man«, ein Begriff, dem er die Bedeutung und Funktion eines Substantivs verleiht. Damit
     gemeint ist jene konkret nie greifbare öffentliche Autorität, die sich in Forderungen wie »Man tut dies« oder »Man tut dies
     nicht« äußert. Die »Diktatur des Man«, von der Heidegger spricht, ist die Diktatur der Durchschnittlichkeit, die den Menschen
     an seiner Selbstverwirklichung hindert. Das Man ist für Heidegger ein normaler Bestandteil des menschlichen Lebens, aus dem
     wir uns nie völlig lösen können. Wir können uns aber in einer bewussten Weise dazu verhalten, wir können die Herrschaft, die
     das Man über unser Leben ausübt, beenden.
    Heideggers Analyse des Man gehört zu den berühmtesten Passagen des Buches. Sie traf sich mit der Kritik an der Anonymität
     der modernen Massengesellschaft, wie sie zum Beispiel auch wenige Jahre später in dem Hauptwerk des spanischen Philosophen
     Ortega y Gasset,
Der Aufstand der Massen
, geübt wurde. Auch Heidegger ist immer ein Gegner der modernen Lebensformen geblieben, der urbanen, pluralistischen Welt,
     wie sie sich vor allem in den Großstädten herausgebildet hatte. Seine Ablehnung betraf sowohl die Demokratie als politische
     Lebensform als auch die

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