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mediengeprägte Öffentlichkeit mit ihren schnelllebigen Nachrichten oder Trends. Die Moderne war für
Heidegger ein Ort des »uneigentlichen« Lebens.
In diesen Zusammenhang einer Kritik am uneigentlichen Leben |204| gehört auch ein anderes, ebenso berühmtes Kapitel aus
Sein und Zeit
, in dem es um das »Gerede« und die »Neugier« geht. Mit »Gerede« oder »Neugier« meint Heidegger Formen der oberflächlichen
Kommunikation, die das Verständnis zwischen Menschen eher verhindern, als es herzustellen. Alles wird nur unter dem Gesichtspunkt
gesehen, ob es als Neuigkeit oder Nachricht verwertbar ist. »Gerede und Neugier«, so Heidegger, »sorgen in ihrer Zweideutigkeit
dafür, dass das echt und neu Geschaffene bei seinem Hervortreten für die Öffentlichkeit veraltet ist.« Wenn wir in diesen
Kommunikationsformen verbleiben, so ist das Dasein »verfallen«. »Verfallensein« ist für Heidegger ein Merkmal des uneigentlichen
Daseins. Der Mensch ist durch die Formen der alltäglichen Kommunikation, besonders aber durch die Versuchung der modernen
Kommunikations- und Medienwelt ständig in Gefahr, von sich selbst abgelenkt zu werden, von sich selbst »abzufallen«.
Die verschiedenen Formen des In-der-Welt-seins binden uns zunächst an ein entfremdetes, uneigentliches Leben. »Das In-der-Welt-sein«,
so Heidegger, »ist immer schon verfallen.« Der Mensch ist in die Welt geworfen, er hat sich selbst nicht dorthin gestellt.
Aber diese »Geworfenheit«, wie Heidegger sie nennt, hat zwei Seiten: Sie setzt uns den Gegebenheiten aus, aber sie enthält
auch den Aspekt der Offenheit, die Möglichkeit eines eigenen Lebensentwurfs.
Dieser Doppelaspekt der Geworfenheit und des Entwerfen-Könnens steckt auch in dem Begriff der »Sorge«, mit dem Heidegger die
wesentlichen Aspekte des Daseins zusammenzufassen versucht. Auch hier weicht er von unserem normalen Sprachgebrauch ab. Er
meint damit nicht so etwas wie »Kummer«, sondern den zielgerichteten, planenden Umgang des Menschen mit der Welt, wie er zum
Beispiel durch das Wort »besorgen« ausgedrückt wird. Während wir uns zu den Dingen der Umwelt »besorgend« verhalten, sind
wir dem Mitmenschen in »Fürsorge« verbunden, das heißt, wir beziehen den anderen als gleichwertiges Dasein in unsere Lebensplanung
mit ein.
Die »sorgende« Beziehung zur Umwelt ist nach Heidegger auch die Bedingung dafür, dass der Mensch ein ganz eigenes Verhältnis
zum Sein aufbauen, also eine Existenz führen kann. Denn in dem |205| planenden, Dinge und Menschen ins eigene Leben einbeziehenden Umgang kommt eine neue Dimension ins Spiel, die im Mittelpunkt
des zweiten Teils steht: die Zeit. In der Sorge ist immer ein erinnerndes und ein vorausschauendes Element enthalten, also
eine Beziehung zur Vergangenheit und zur Zukunft. Dass menschliches Dasein zeitliches Dasein ist, rückt die von Heidegger
im ersten Teil seines Buches vorgenommene Daseinsanalyse in ein neues Licht. Nun geht es darum, wie, im Horizont der Zeit,
der Mensch aus den alltäglichen Bezügen, in denen er steht, aus dem In-der-Welt-sein zu einem selbstbestimmten Leben findet.
Diese menschliche Selbstverwirklichung, die bei Heidegger Verwirklichung der »Eigentlichkeit«, des »Selbst« oder der »Existenz«
heißt, ist nicht nur eine Abkehr von Anonymität, Oberflächlichkeit und Konventionen, sie ist vor allem begleitet von dem Bewusstsein
der Endlichkeit des Lebens, von einem ständig vorhandenen Zeitbewusstsein.
Sein und Zeit
schreitet den Weg zu diesem Bewusstsein ab. Er führt über die Grundstimmung der Angst, über die Annahme des Todes als Horizont
des Lebens, über den »Ruf des Gewissens« bis zur »Entschlossenheit«, mit der der Mensch seine Existenz ergreift.
Dass der Mensch frei ist, sein eigenes Leben zu gestalten, dass sein »Verfallensein« nicht das letzte Wort ist, sondern dass
man vorgegebene Bindungen und Beziehungen auch bewusst gestalten kann, macht sich, noch vor aller rationaler Einsicht, in
Stimmungen bemerkbar. Stimmungen sind für Heidegger wie Fühler, mit denen wir Kontakt zur Welt herstellen. Dabei spielt die
Grundstimmung der Angst eine besondere Rolle.
Kierkegaard hatte die Angst als ein unbestimmtes Gefühl beschrieben, das dem Menschen seine Sündhaftigkeit, aber damit auch
seine Freiheit und Verantwortung gegenüber Gott offenbart. Auch bei Heidegger ist Angst im Gegensatz zu Furcht eine unbestimmte
Stimmung, die sich nicht auf
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