Phobia: Thriller (German Edition)
meine Kollegin«, erklärte er und zwinkerte Sarah zu. »Darf ich vorstellen, Sarah Bridgewater. Eine waschechte Britin.«
»Aha«, sagte Mrs. Livingstone und schien zufrieden. »Na, dann kommen Sie mal. Aber machen Sie ja keine Unordnung. Das mag er überhaupt nicht. Er ist ein sehr ordentlicher Mann. Wie ihr Krauts.«
Mark nickte ihr ernst zu. »Keine Sorge, Mrs. Livingstone. Wir sind auch gleich wieder weg.«
63.
Gemeinsam betraten sie die Wohnung. Der kurze Flur endete in einer kleinen Wohnküche, durch deren Fenster sie auf die schmutzige Fassade des nahen Nachbarhauses blickten. Ein Durchgang zur Rechten führte in ein winziges Badezimmer, hinter der Tür zur Linken musste sich das Schlafzimmer befinden. Sie war geschlossen.
Mark sah sich um und versuchte sich ein Bild von der Persönlichkeit des Bewohners zu machen.
Mrs. Livingstone hatte recht gehabt, was John Wakefields Ordnungsliebe betraf. Zwar schienen sämtliche Möbel und sonstigen Einrichtungsgegenstände wie Relikte längst vergangener Jahrzehnte, doch Wakefield hatte sich alle Mühe gegeben, sich ein wohnliches Heim zu schaffen. Alles war frisch geputzt und hatte einen festen Platz zugewiesen bekommen.
Der Anblick erinnerte Mark an ein Trödelmuseum. Wakefield schien über keine großen finanziellen Mittel zu verfügen, oder er legte keinen Wert auf materielle Statussymbole. Doch er brachte den wenigen Dingen, die er besaß, Wertschätzung entgegen. Die ganze Wohnung ließ auf eine pedantische, wenn nicht gar zwanghaft-neurotische Persönlichkeit schließen. Auf jemanden, der Abläufe genau plante und nichts dem Zufall überließ.
Wie würde Wakefield wohl reagieren, wenn er feststellen musste, dass er sein Opfer unterschätzt hatte – dass Sarah und Mark ihm trotz allem auf die Spur gekommen waren? Denn dass sie seinen Namen und seine Adresse herausfinden würden, hatte er sicherlich nicht vorhergesehen.
Es war kühl in der Wohnung. Das Fenster in der Wohnküche stand einen Spaltbreit offen. Von draußen wehte die nasskalte Winterluft herein, und es roch nach Putzmittel, einem recht penetranten Zitronenaroma. Aber Mark nahm noch einen weiteren Geruch wahr, unangenehm und muffig, wie von Mülltonnen, die schon lange nicht mehr geleert worden waren.
»Wahrscheinlich sind die Unterlagen, die Sie suchen, im Schlafzimmerschrank«, sagte Mrs. Livingstone und ging zielstrebig auf die geschlossene Tür zu. »Dort bewahrt er immer seine Dokumente auf. Nicht, dass ich hier herumgestöbert hätte, er hat mir das selbst einmal erzählt.«
Sie öffnete die Tür, und sofort schlug ihnen eine Welle des süßlichen Mülltonnengeruchs entgegen.
»O Himmel, Jesus!«, stieß die alte Frau aus und wich entsetzt einen Schritt zurück.
Sarah, die ihr gefolgt war, schlug die Hand vor den Mund. Auch sie schien für eine Sekunde wie vor Schreck versteinert, dann betrat sie entschlossen das Schlafzimmer. Im nächsten Moment stieß sie einen Schrei aus.
Mark lief zu ihr. Er traute seinen Augen nicht.
Auf dem Bett lag ein in Klarsichtfolie eingewickelter Körper. Er hatte die Hände auf der Brust gekreuzt wie eine ägyptische Mumie. Jemand hatte einen Blumenstrauß neben den Toten gelegt. Die Blumen waren längst verwelkt.
Sarah stand dicht neben dem schauerlichen Gebilde, die Hand vor Mund und Nase gehalten, und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Toten.
Um den Leichengeruch so gut wie möglich zurückzuhalten, war die Folie mit dicken Klebebandstreifen abgedichtet worden, dennoch stank es bestialisch in dem kleinen Raum. Dem aufgequollenen Zustand des Körpers nach, hatte die Verwesung bereits vor Längerem eingesetzt. Die freiwerdenden Gase hatten die Folie wie einen makaberen Ballon aufgeblasen, und an der Unterseite hatte sich bräunliche Körperflüssigkeit angesammelt.
Mark betrachtete das wächserne Gesicht des Toten, das wie eine gelbliche Maske gegen die Folie drückte. Die Gesichtszüge waren aufgedunsen und bis zum Zerreißen gespannt, dennoch hätte man die Narben auf der Haut erkennen müssen. Wer immer der Tote auch war, sein Gesicht war unverletzt, und Mark befiel ein schrecklicher Gedanke.
»Ist er das?«, fragte er mit belegter Stimme. »Ist es Stephen?«
Sarah schüttelte nur den Kopf, dann wandte sie sich um und schwankte aus dem Raum.
»Um Gottes willen, Jay«, hörte er Mrs. Livingstone hinter sich wimmern. Sie stand noch immer in der Tür und war aschfahl. »Was hat man dir nur angetan?«
»Mrs. Livingstone.« Er ging zu
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