Phönix
ihr wich vor mir zurück.
»Elaine«, flüsterte ich, »was ist los?«
»Nichts.« Sie schüttelte den Kopf. »Sehr viel.«
»Ich versuche ihn loszuwerden«, schlug ich vor. »Er kann mich zur Garage fahren. Dort hole ich meinen Wagen und sage ihm, daß ich selbst nach Hause fahren will.«
»Sei doch nicht albern«, zischte sie wütend. »Er hat am Flughafen doch nur gewartet, um dich nach Hause fahren zu können. Daß du das nicht begreifst!«
Das stimmte. Er konnte gar nicht gewußt haben, daß Marge erst morgen früh mit mir rechnete; er hatte mit ihr am Nachmittag telefoniert, ich aber erst am Abend. Darauf hätte ich auch gleich kommen können, denn sein Wagen war nicht aus der Schlange wartender Taxis gekommen, sondern von gegenüber, wo er auf mich gewartet hatte.
»Ich hab' dir ja gesagt, wir hätten in Pittsburgh übernachten sollen«, entgegnete ich verdrossen.
»Das spielt jetzt keine Rolle.«
Ich warf ihr einen prüfenden Blick zu. In ihren Augen lag wieder dieser schmerzvolle Ausdruck. Wir sprachen kein Wort. Ich empfand diesen Schmerz nach, er ergriff jetzt auch mich. Ich mußte zuschauen, wie er sich über ihr Gesicht in winzigen scharfen Furchen ausbreitete. Die Türen des Aufzugs öffneten sich, sie ging darauf zu. Ich reichte ihr den Koffer. »Ich rufe dich an«, stammelte ich hilflos.
In ihren Augen schimmerte es feucht. Wortlos nickte sie mit dem Kopf.
»Gute Nacht, Liebling«, sagte ich, während die Türen sich wieder schlossen.
Ich durchquerte die Halle und stieg in das Taxi. »Okay, Pap«, seufzte ich mißmutig und ließ mich in den Sitz fallen. Auf dem ganzen Weg durch die Stadt sagte er kein Wort. Erst als wir wieder auf dem Highway waren, blickte er mich durch den Rückspiegel an. »Sie ist eine sehr schöne Frau, Bernhard.«
Ich nickte. »Ja, Pap.«
»Wie hast du sie kennengelernt?«
Zögernd erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Als ich geendet hatte, schüttelte er traurig den Kopf. »Das schreit ja zum Himmel!«
Ich war erleichtert, als der Wagen in unsere Einfahrt bog und stehenblieb. Ich mochte nicht mehr darüber reden. Ich schaute auf die Uhr. Es war Mitternacht.
»Du kannst doch genausogut bei uns übernachten, Pap«, schlug
ich vor. »Es ist zu spät, um noch heimzufahren.«
Wie gewöhnlich, regte sich sein Freiheitsdrang. »Unsinn, Bernhard. Die Nacht ist noch jung. Die einträglichsten Fahrten liegen noch vor mir.«
Wie gewöhnlich, mußte ich ihm was vorflunkern. »Bleib doch hier, Pap, wir können dann morgen früh zusammen in die Stadt fahren. Du weißt doch, wie mir die Bahnfahrt zuwider ist.«
Marge war überrascht, daß ich schon kam. Ich erklärte ihr, daß die Zusammenkunft in letzter Minute abgesagt worden war und ich dann beschlossen hatte, nach Hause zu fahren. Jeannie kam herunter, und wir tranken alle zusammen in der Küche Kaffee. Ich erinnere mich noch an Vaters seltsam mißtrauischen Blick, als ich erwähnte, auf dem Rückflug Elaine im Flugzeug getroffen zu haben. Aber der verschwand, als ich ihnen von Matt Bradys Angebot erzählte.
Es war halb zwei, als wir endlich Schluß machten. Der Drugstore, drei Häuser weiter, hatte inzwischen auch geschlossen, ich hatte keine Gelegenheit mehr, Elaine anzurufen. Und so ging ich hinauf ins Bett.
Ich hatte einen unruhigen Schlaf, ich wälzte mich hin und her. Einige Male streckte Marge ihre Hand zu mir herüber und rüttelte mich an der Schulter.
»Fehlt dir was, Brad?« Ihre Stimme klang sanft wie die Nacht. »Nein«, erwiderte ich kurz. »Ich bin wahrscheinlich ein bißchen durchgedreht.«
»Zu viele große Probleme?« flüsterte sie. Ich hörte die Decken rascheln, dann kroch sie in mein Bett. Sie schlang die Arme um meinen Hals und zog meinen Kopf an ihre Brust. »Schlaf, mein Kleiner, ruh dich schön aus.« Sie summte leise vor sich hin, als ob ich ein Kind wäre.
Zuerst verkrampften sich meine Muskeln, ich lag gespannt wie eine Spirale. Aber dann, als ich auf ihre ruhigen, gleichmäßigen
Atemzüge lauschte, löste sich allmählich alles, die Wärme ihres Körpers durchströmte mich, und ich schloß die Augen.
Sobald ich am Morgen im Büro war, rief ich Elaine an. Die Auskunft der Vermittlung überraschte mich nicht. In dem Augenblick, als sie den Aufzug betrat, hatte ich irgendwie gespürt, wie es kommen würde. Und doch wollte ich es nicht wahrhaben.
»Was ist los?« fragte ich dumm zurück, als könne ich nicht verstehen.
Die Telefonistin sprach noch deutlicher als sonst, mit der
Weitere Kostenlose Bücher