Picknick mit Bären
durchschnittlich 16.500 Personen, die täglich unterwegs sind. Das macht 4,6 Personen auf einen Kilometer, also etwa einen Menschen alle 220 Meter. Tatsächlich erreichen nur wenige Abschnitte eine so hohe Dichte. Ein großer Teil der jährlich vier Millionen Wanderer konzentriert sich für einen Tag oder eine Woche auf bestimmte beliebte Abschnitte – den Presidential Range in New Hampshire, den Baxter State Park in Maine, Mount Greylock in Massachusetts, die Smokies und den Shenandoah National Park. Zu diesen vier Millionen gehören auch die sogenannten Reebok-Hiker, die zu Tausenden einfallen. Sie kommen mit dem Auto vorgefahren, gehen ein paar hundert Meter, setzen sich wieder in ihr Auto und lassen sich nie wieder zu so etwas atemberaubend Gefährlichem hinreißen. Egal, was die Leute sagen, der Appalachian Trail ist nicht überlaufen, glauben Sie mir.
Wenn die Leute darüber schimpfen, der Trail sei überfüllt, dann meinen sie in Wahrheit, die Hütten seien überfüllt, und da muß ich ihnen recht geben. Das Problem besteht jedoch nicht dann, daß es zu viele Wanderer gibt, gemessen an der Zahl der Hütten, sondern zu wenig Hütten, gemessen an der Zahl der Wanderer. Der Shenandoah National Park verfügt nur über acht Hütten – von denen jede nicht mehr als acht Personen aufnehmen kann, höchstens zehn –, und das auf 162 Kilometern Wanderweg. Das entspricht ungefähr dem Durchschnitt für den gesamten Appalachian Trail. Obwohl die Entfernungen zwischen den einzelnen Hütten sehr stark variieren können, befindet sich im Schnitt alle 16 Kilometer eine Schutzhütte, ein Blockhaus oder ein Unterstand. Das bedeutet, es existieren auf 3.540 Kilometer Wanderweg nur 2.500 angemessene Schlafgelegenheiten. Wenn man bedenkt, daß im Umkreis einer Tagesreise vom Appalachian Trail 100 Millionen Menschen leben, dann kann es kaum überraschen, daß 2.500 Schlafplätze manchmal nicht ausreichen. Es klingt widersinnig, aber trotzdem wächst der Druck, die Anzahl der Schutzhütten in manchen Abschnitten zu reduzieren, um das zu vermeiden, was als Überfrequentierung des Trails verstanden wird – meiner Meinung nach ist das völlig unverständlich.
Wie immer, wenn sich das Gespräch um die Überfüllung des Trail drehte und den Umstand, daß man jetzt manchmal an einem einzigen Tag ein Dutzend Leute trifft, wo man früher, wenn man Glück hatte, nur zwei Menschen begegnet ist, hörte ich höflich zu und sagte dann: »Ihr solltet erstmal in England wandern.«
Jim sagte daraufhin freundlich und geduldig zu mir: »Aber wir sind nun mal nicht in England, Bill.« Da konnte er recht haben.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich den Shenandoah National Park besonders mag und warum ich wahrscheinlich nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt bin wie ein richtiger amerikanischer Hiker: Cheeseburger. Man kann sich im Shenandoah National Park regelmäßig mit Cheeseburgern, eisgekühlter Cola, Pommes, Eis und jeder Menge anderem Zeug versorgen. Obwohl die zügellose Kommerzialisierung, von der ich eben sprach, ausgeblieben ist – zum Glück natürlich –, hat sich dieser esprit de commerce in Shenandoah teilweise gehalten. Der Park ist geradezu übersät mit öffentlichen Camping- und Rastplätzen, an denen sich Restaurants und Geschäfte befinden – und der AT führt Gott sei Dank an fast allen vorbei. Es steht ganz und gar im Widerspruch zur Idee des Appalachian Trail, unterwegs Pausen in Restaurants einzulegen, aber ich kenne keinen Wanderer, der nicht ab und zu trotzdem gerne dort eingekehrt wäre.
Katz, Connolly und ich machten gleich am Tag darauf unsere erste Erfahrung damit, nachdem wir uns von Jim und Chuck und den Pfadfindern verabschiedet hatten, die alle Richtung Süden weiterzogen, und wir gegen Mittag einen gut besuchten »Rummelplatz« namens Big Meadows erreichten.
Big Meadows verfügt über einen Campingplatz, eine Hütte, ein Restaurant und einen Souvenir- und Gemischtwarenladen. Unmengen von Menschen lümmelten sich auf einem großen, sonnigen Rasen. (Big Meadows bedeutet eigentlich große Wiese; tatsächlich rührt die Bezeichnung aber von einem Mann namens Meadows her, was mir außerordentlich gut gefiel.) Wir stellten unsere Rucksäcke auf dem Rasen ab und eilten in das volle Restaurant, wo wir uns gierig über die besonders fettigen Speisen hermachten, dann begaben wir uns wieder nach draußen, ließen uns auf dem Rasen nieder, rauchten, rülpsten und gaben uns dem stillen Akt der Verdauung
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