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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Oder gar solche, über die zu reden einem der Anstand verbietet«, erstickte Bruder Hilpert Richwyns Attacke im Keim. Und fügte kalt lächelnd hinzu: »Wobei ich allzu gerne wüsste, von welcher Art Eure Beziehung zu Frau Liutgards Schützling ist.«
    »Von einer Art, die Zweifel gar nicht erst aufkommen lässt. Mit anderen Worten: Ich würde alles für sie tun.«
    »Alles?«
    »Alles.«
    Bruder Hilpert schlug die Beine übereinander, verschränkte die Arme und warf Richwyn einen kurzen Seitenblick zu. »Eine wahrhaft christliche Einstellung!«, rief er anerkennend aus und suchte Liutgards Blick. »Schade nur, dass nicht alle Menschen so sind wie Ihr.«
    »Das könnt Ihr aber laut sagen, Bruder!«, ließ die Antwort der Matrone, die Bruder Hilperts Köder bereitwillig schluckte, nicht lange auf sich warten.
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Wüsste nicht, was es daran überhaupt zu verstehen gibt«, machte sie sofort einen Rückzieher und sah Richwyn Hilfe suchend an.
    Der Sackpfeifer verstand. »Wie gesagt, Bruder –«, machte er den Versuch, die Wogen zu glätten, »mit Frauen habe ich nicht viel am Hut. Dessen könnt Ihr Euch absolut sicher sein.« Im Begriff, sich wieder zu entfernen, hielt Richwyn inne und sah Bruder Hilpert stirnrunzelnd an. »Was ist mit Euch, Bruder?«, fragte er irritiert. »Irgendetwas nicht in Ordnung?«
    Doch Bruder Hilpert hörte nur mit einem Ohr zu. Auf einmal, ohne dass er es sich erklären konnte, war da wieder dieses ungute Gefühl. Das Gefühl, Richwyn vor nicht allzu langer Zeit begegnet zu sein. Die Frage war lediglich, wann. Und wo. Ohne darauf zu achten, was um ihn herum geschah, zermarterte sich Hilpert das Gehirn. Noch nie war dieses Gefühl so stark gewesen wie jetzt. Wie in diesem Moment. Gedankenfetzen jagten durch seinen Kopf, Stimmen, Bruchstücke aus Gesprächen. Doch sosehr er sich auch zu konzentrieren versuchte, sein Gedächtnis ließ ihn erneut im Stich. Dennoch: Früher oder später würde er Richwyns Identität lüften. Und die der übrigen Passagiere auch.
    »Irgendetwas nicht in Ordnung?«, wiederholte Liutgard, mit Blick auf Richwyn, der nervös auf der Stelle trat. »Falls dem so ist – wie wär ’ s mit einem Schluck Kräutersud?«
    Tief in Gedanken, hob Bruder Hilpert den Kopf und ließ den Blick zwischen Liutgard und Richwyn hin und her pendeln. Als er Letzteren streifte, legte sich ein Schatten über sein Gesicht. Außerstande, seinem Blick standzuhalten, schlug der Sackpfeifer die Augen nieder und schwieg. Und das aus gutem Grund. Die Veränderung, die mit Bruder Hilpert vorgegangen war, war zu offensichtlich, als dass man sie hätte übersehen können. Sie hatte etwas Bedrückendes, nachgerade Beängstigendes an sich. Etwas, das keiner der Passagiere bislang an ihm wahrgenommen hatte. Dies war nicht mehr der Bibliothekarius, der sich lieber heute als morgen ins Kloster begab. Dies war der Inquisitor, von dem es hieß, er würde nicht lockerlassen, bevor er die Wahrheit herausgefunden hatte.
    Wenn nötig, um jeden Preis.

     
    H
    »Seid bedankt, gute Frau«, sprach Bruder Hilpert mit ausgesuchter Höflichkeit, gab Liutgard den Becher zurück und blinzelte in die Sonne. »Jetzt, wo ich mich ein wenig erholt habe, geht es mir wesentlich besser.«
    »Ein Faktum, das nicht zuletzt meiner tätigen Mithilfe zuzuschreiben ist«, warf Richwyn eilfertig ein.
    Bruder Hilpert lächelte, aber nicht so, wie man es gegenüber dem Mann, der ihn aus dem Wasser gezogen hatte, erwartet hätte. »Das ist es in der Tat«, antwortete er in nachdenklichem Tonfall, erhob sich und suchte erneut Richwyns Blick. Doch der, fahrig und zerstreut, wich ihm auch dieses Mal aus. »Und darum an dieser Stelle meinen aufrichtigen …«
    Nur ein Wort vom Satzende entfernt, brach Bruder Hilpert jäh ab und wandte sich dem Bug der ›Charon‹ zu. Voll und ganz auf Richwyn konzentriert, hatte er die Burg, auf die das Schiff zusteuerte, zunächst nicht bemerkt. Sie lag auf der Steuerbordseite, weniger als eine Achtelmeile entfernt.
    Je näher ihr die ›Charon‹ kam, umso mehr schien der Jakobspilger, der in Wertheim an Bord gegangen war, in Wallung zu geraten. Am Bug postiert, von wo aus er die beste Aussicht auf die beiden Bergfriede, die wehrhaften Mauern und stattlichen Gebäude hatte, rührte er sich nicht vom Fleck. In dem Maße, wie sich das Schiff der Ansiedlung zu ihren Füßen näherte, sollte sich das jedoch ändern. Das Tau, nach dem er sich gebückt hatte, entglitt

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