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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Satans ist mein Wams geblieben?«
    Die Stimme war schrill, fast hysterisch, und Emicho, zu dem sie gehörte, offenbar den Tränen nah. Obwohl die Sache ernst war, konnte sich Bruder Hilpert ein Lächeln nicht verkneifen. Richwyn erging es ebenso. Dem Spektakel zum Trotz, das der Badstuber veranstaltete, sollte ihnen das Lachen jedoch rasch wieder vergehen.
    Bruder Hilpert kratzte sich am Kopf und warf Richwyn einen verstohlenen Seitenblick zu. Im Gegensatz zu ihm zeigte der Sackpfeifer jedoch keinerlei Reaktion. Mehr noch, er genoss das Schauspiel in vollen Zügen, amüsierte sich königlich. Das Grinsen, mit dem er Emichos Tobsuchtsanfall quittierte, sprach jedenfalls Bände. Selbst die Tatsache, dass der Badstuber wüste Drohungen ausstieß, das Zelt auf den Kopf stellte und mit hochrotem Kopf an Deck auftauchte, schien ihn nicht sonderlich zu interessieren.
    Sobald Emicho Anstalten machte, sich auf den Hufschmied zu stürzen, sollte sich dies jedoch ändern. Richwyns Heiterkeit war wie weggeblasen, und er wurde leichenblass. Woher der Badstuber den Dolch hatte, war im Grunde zweitrangig. Viel wichtiger war, dass hier gleich ein Mord geschehen würde. Es sei denn, man käme Emicho zuvor. Bruder Hilpert und Richwyn wechselten einen hastigen Blick.
    Und rannten los.
    Ganz und gar auf sein Opfer konzentriert, das sich im selben Moment umdrehte, hatte Emicho die beiden nicht kommen hören. Und selbst wenn, wäre es unmöglich gewesen, das sich anbahnende Blutvergießen zu verhindern. Vor lauter Weinfässern, Kisten und Säcken war kaum ein Durchkommen, und als er über eine Taurolle stolperte, befürchtete Bruder Hilpert das Schlimmste.
    Zu seiner Verblüffung hielt Emicho jedoch plötzlich inne. Und nicht nur das. Aus dem Badstuber, der einen wahren Veitstanz aufgeführt hatte, war ein jämmerliches Häuflein Elend geworden. Noch ein, zwei Schritte, ein Keuchen und ein halblaut gemurmelter Fluch – und der herrenlose Dolch schlug auf den Deckplanken auf.
    Zu Ende war die unerquickliche Episode deswegen noch lang nicht. Denn jetzt war der Hufschmied am Zug. Ein Blick genügte, um Bruder Hilpert zu signalisieren, dass dieser nicht einfach klein beigeben würde. Hinter dieser Sache, so die blitzartige Erkenntnis, steckte wesentlich mehr. Mehr jedenfalls, als es zunächst den Anschein gehabt hatte.
    Purer Zufall? Das schon gleich gar nicht.
    Ein Tag an Bord der ›Charon‹, und er hatte aufgehört, an so etwas zu glauben.
    »Na – endlich kapiert, wen du vor dir hast?« Auge in Auge mit dem Badstuber, der sich wie das Kaninchen vor der Schlange gebärdete, hellte sich die Miene des Hufschmieds spürbar auf. Die Freude über die unerwartete Begegnung war ihm ins Gesicht geschrieben, darüber hinaus aber vor allem eines: Wut und abgrundtiefer Hass.
    Kein Zufall, wie gehabt.
    Aber was dann?
    Welche alte Rechnung wurde hier beglichen?
    Viel Zeit, hierüber nachzudenken, blieb Bruder Hilpert nicht. Kaum war Emicho der Dolch aus der Hand geglitten, war der Koloss zur Stelle und hob ihn auf. »Zum dumm, dass du mir ausgerechnet jetzt über den Weg gelaufen bist!«, goss er seine Häme über dem Badstuber aus. »Im denkbar ungünstigsten Moment. Aber was getan werden muss, muss nun einmal getan werden. Da kenne ich kein Pardon. Das siehst du doch wohl ein, Affenschwanz, oder nicht? Antworte, Weiberschänder – oder hat es dir etwa die Sprache verschlagen?«
    Das hatte es. Und zwar gründlich. Glotzäugig, verschwitzt und wie Espenlaub zitternd, starrte der Badstuber den Hufschmied an. Speichelfäden hingen ihm aus dem Mund, und er wich mit erhobenen Händen zurück. Doch so leicht würde sich der Koloss nicht besänftigen lassen. Dazu war die Wut, die sich in ihm angestaut hatte, einfach zu groß.
    Wäre da nicht Bruder Hilpert gewesen, der seine Lähmung überwand, einen Wimpernschlag später zur Stelle war und sich zwischen die beiden Streithähne warf. »Schluss mit dem Gezänk!«, fuhr er den bulligen Hufschmied an. »Oder habt Ihr etwa vergessen, was für ein Tag heute ist?«
    »Besser, Ihr haltet Euch da raus, Bruder«, antwortete der Koloss und bedeutete ihm, den Weg freizugeben. »Die Sache geht nur mich und diesen froschäugigen Schweinepriester etwas an.«
    »So, tut sie das?« Durch die Hochnäsigkeit, mit der ihm der Koloss gegenübertrat, ließ sich Bruder Hilpert nicht aus der Ruhe bringen. Im Verlauf seines Lebens war er schon mit ganz anderen Situationen fertig geworden. Verglichen damit zählte dieser

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