Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
probiert!«
»Stimmt! Zumal uns im Augenblick leider die Alternativen fehlen. Am besten an der ganzen Sache gefällt mir sowieso, dass Tannenberg und die anderen Blindgänger von der Sache nichts erfahren werden. Was meinen Sie wohl, wie blöd der Herr Kriminalhauptkommissar aus der Wäsche schauen wird, wenn wir seinen Serienmörder fassen«, freute sich der Oberstaatsanwalt. »Der geht bestimmt vor lauter Wut glatt durch die Decke.«
»Ich möchte ja Ihren psychohygienischen Triumphzug nicht zerstören, aber Sie erinnern sich schon daran, dass wir Tannenberg und sein Team nur deshalb nicht in die Köder-Aktion einweihen, weil wir nicht ausschließen können, dass sich der Täter im direkten Umfeld Tannenbergs aufhält und er deshalb möglicherweise von unserem geplanten Vorhaben Wind bekommen könnte – und nicht, weil der Kollege und seine SOKO mit dem Fall total überfordert wären«, bemerkte Dr. Eva Glück-Mankowski trocken.
Auf der Fahrt zum Kommissariat vermied der Oberstaatsanwalt tunlichst weitere Tritte in eines der überall versteckt herumstehenden Fettnäpfchen. Er beschränkte sich vielmehr darauf, ab und an einen verstohlenen Blick auf die nach seiner Meinung überaus attraktive weibliche Erscheinung neben sich zu werfen; meist wenn er zwecks Beobachtung des Straßenverkehrs gezwungen war, nach rechts zu blicken. Allzu gerne hätte er dabei ein kurzes Lächeln von ihr erhascht, aber die LKA-Mitarbeiterin blickte stur geradeaus.
Als Dr. Hollerbach im Flur der Kriminalinspektion von weitem Tannenberg herumschreien hörte, fasste er sich ein Herz, legte seine Hand auf die linke Schulter der selbstbewusst neben ihm einherschreitenden Profilerin, drehte seinen Daumen nach innen und nötigte sie dadurch zum Stehenbleiben.
»Warten Sie bitte mal einen Moment, liebe Frau Kollegin«, sagte er leise, während er umgehend wieder seine Hand von ihrem Körper entfernte. »Hören Sie den Tannenberg, wie er wieder poltert?«
»Ja sicher, ist wohl kaum zu überhören.«
»So, jetzt wissen Sie auch, warum ich ihn einmal Wotan getauft habe. Ich finde, das ist ein sehr treffender Name für ihn. Erstens, weil sich aus den Anfangsbuchstaben von ›Wolfram‹ und ›Tannenberg‹ meines Erachtens geradezu zwingend die Abkürzung ›Wotan‹ ergibt, und zweitens wegen der Wesensgleichheit mit Wotan. Vielleicht haben Sie schon mal etwas von ihm gehört. Der spielt bei Wagner eine nicht unbedeutende Rolle. Obwohl, Frauen mögen die Musik Richard Wagners ja eigentlich nicht.«
»Wotan – höchster germanischer Gott; einäugiger Gott des Sturmes, der Dichtkunst und der Kommunikation. Wotan – wütender Naturgott, der die Seelen der Toten durch die Nacht jagt. Wotan – der im ›Ring der Nibelungen‹ Siegfried dazu auserkoren hat, die Welt vom Ring zu befreien. Wotan, der Zauberer, der mächtige Walküren durch die Lüfte schickt, um im Kampf gefallene Helden nach Wallhall zu geleiten«, dozierte die Psychologin. »Sie werden es nicht glauben, aber ich beschäftige mich in meiner Freizeit sehr wohl mit Richard Wagner, seiner Musik, der dahinterstehenden Mythologie, und vor allem interessiert mich Wagner wegen seiner massenpsychologischen Wirkung, die er auf Männer ausübt. Übrigens habe ich die letzten Bayreuther Festspiele gemeinsam mit meiner Freundin besucht.«
Der Oberstaatsanwalt war sprachlos.
Die Profilerin lesbisch? Genau das war die Erklärung für das merkwürdige Verhalten seiner Person gegenüber! Mit einem Schlag war ihm alles klar: Die Ignoranz seiner Annäherungsversuche, ihr Männerhass, ihre Aversion gegenüber Wagner – einfach alles.
»Hallöchen! Ja, was feiern wir denn heute?«, rief die Profilerin mit lauter Stimme, als sie den Erdbeerkuchen sah, und wandte sich direkt Petra Flockerzie zu. »Wohl das Ende entbehrungsreicher Diätwochen?«
»Nein, der Chef hat heute Geburtstag!«
»Meinen herzlichsten Glückwunsch, lieber Herr Hauptkommissar! Und alles, alles Gute für Sie!«, sagte Eva Glück-Mankowski und ging mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
Tannenberg war zur Salzsäule erstarrt, zu abrupt hatte das Auftreten der Psychologin seinen Wutausbruch unterbrochen. Das einzige, was er von den beiden Geburtstagsküsschen, die ihrer Glückwunschformel folgten, körperlich registrierte, war der füllige, wogende Busen der LKA-Mitarbeiterin.
»Tannenberg, Sie sollten sich nicht so aufregen. Zum einen ist es nicht gesund, und zum anderen blockiert die Aggressivität unsere
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