Pinguin Mord
hatte
sorgfältig recherchiert. Dabei hatte er herausgefunden, dass
sie üblicherweise hier ausstieg. Hastig sprang er auf und
rempelte sich den Weg nach vorn frei. »Ich glaub’ es
nicht«, rief er dann, als er am vorderen Türpaar des
Zuges angelangt war, in ihre Richtung. Die blonde Frau wandte den
Kopf und musterte ihn mit fragendem Blick.
»Heike
Göbel - die Heike Göbel!«, rief er beeindruckt.
Einige Fahrgäste in der Bahn starrten sie an. Vermutlich
kannten sie den Namen aus dem Radio und freuten sich nun, einmal
das dazugehörige Gesicht zu
sehen.
Heike stutzte. Ihr war
die Situation peinlich. Sie kannte den jungen Mann mit der
tiefsitzenden Jeans und dem Kapuzenshirt nicht. Anfang zwanzig und
unrasiert, unterschied er sich kaum von zahlreichen anderen jungen
Männern in seinem Alter. Dunkelblonde Haare lugten unter
seinem Cap hervor. Seine strahlend blauen Augen
funkelten.
»Kennen wir
uns?«, fragte Heike. Sie betrachtete den Knaben, der sie an
Oliver Pocher von vor zehn Jahren erinnerte.
»Noch
nicht«, erwiderte der junge Mann und schob sich das falsch
herum aufgesetzte Baseballcap in den Nacken. »Ich bin Mike
Müller.«
»Müller,
wie Meier?« Heike hatte Mühe, sich ein Grinsen zu
verkneifen. »Oder andersrum?«
Er nickte. »Ja,
sozusagen«, grinste er. »Ein ziemlich spießiger
Name, findest du nicht? Aber ich kann ja nichts dafür, und
…«
»Und woher
kennen wir uns?«
»Vom Sender, ich
bin der neue Praktikant. Hab’ dich heute früh kurz in
der Redaktion gesehen. Eckhardt war ja außer sich, wegen dem
blöden Pinguinkopf.«
»Tut mir
leid«, erwiderte Heike und lächelte. Ihr war der junge
Kollege in der Redaktion nicht aufgefallen. »Ich war lange im
Hauptstadt-Studio und weiß noch nicht, wer jetzt zu meinen
Kollegen im Sender zählt.«
»Das macht
nichts«, erwiderte er. »Ich habe schon so viel von dir
gehört. Die Schwebebahn-Erpressung, der Korruptionsskandal,
der Mord an dem Filmschauspieler, all das hast du aufgetan.
Allesamt heiße Storys.« Der Junge zog respektvoll die
Mundwinkel nach unten. »So gesehen bist du mein großes
Vorbild.« Müller blickte sich um, als der orange-blaue
Zug in den Döppersberg einfuhr. »Ich muss hier raus.
Kommst du mit?«
»Wie
bitte?« Heike runzelte die Stirn.
»Darf ich dich
einladen? Ich hab’ so viel gehört von dir. Und jetzt
würde ich die berühmte Heike Göbel gern auf ein Bier
einladen.«
Heike, die zu Stefans
Wohnung in der Marienstraße unterwegs war, erhob sich. Es war
Samstagmittag, und Stefan hatte die Sportsendung übernommen.
In einer Stunde begann das Spiel des WFC. Stefan berichtete
für die Hörer der Wupperwelle live aus dem Stadion am
Zoo. Und der junge, flippige Kollege war ihr sympathisch. Sie
lächelte ihn an. »Warum eigentlich
nicht?«
Mike Müller
strahlte. »Eben. Und du musst mir verdammt viel
erzählen.«
15
Samstag, 15:20 Uhr,
Zoo Stadion
»Schade, schade,
das wäre eine so schöne Torchance gewesen, meine Damen
und Herren. Ich bin sicher, dass… jetzt kann Björn
Felder im Strafraum des Gegners, nein, das kann nicht gehen, das
muss doch… nein, das ist doch… er setzt an, ist
allein vor dem gegnerischen Tor, zielt, setzt an, und …
Toooor, das ist das dritte Tor für den WFC!« Stefans
Stimme überschlug sich. Während er die Ereignisse im
Stadion Zoo aus der Pressetribüne voller Leidenschaft
kommentierte, linste er zur Uhr. Noch anderthalb Minuten. Er
presste das Mikrofon mit dem schwarz-roten Logo der Wupperwelle
fester gegen die Lippen: »Er schießt, und was dieser
Spieler anfängt, das bringt er auch konsequent zu Ende, meine
Damen und Herren. Das ist einfach unglaublich!« Stefan brach
ab und warf einen Blick nach rechts. Dort stand Fritz Plunger, der
Präsident des Wuppertaler Fussballclubs, und schüttelte
erbost die Fäuste. Stefan verstand nicht, warum der
Präsident sich nicht über das Tor seines Stürmers
freuen konnte, und beschloss, ihn später im Interview danach
zu fragen.
16
Samstag, 15:25 Uhr,
Von-der-Heydt-Museum
»Ich steh’
auf Provokationsjournalismus«, erklärte Mike mit
leuchtenden Augen. Sie saßen sich an einem Tisch in
Fensternähe des Cafés im Von-der-Heydt-Museum
gegenüber. Draußen zogen die Menschen durch die
Fußgängerzone am Turmhof, ohne das Museum eines Blickes
zu würdigen. Am Samstagnachmittag, zudem bei prächtigem
Sonnenschein, war die Elberfelder Fußgängerzone
proppenvoll. Mütter zirkelten mit ihren Kinderwagen durch das
Gewühl,
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