Pinguin Mord
also
kein dummes Gerede? Wird man bei den öffentlich-rechtlichen
Sendern wirklich besser bezahlt?« Mike blickte sie erstaunt
an. Seine Augen leuchteten fasziniert, und beinahe hätte Heike
ihm gegenüber so etwas wie einen mütterlichen Instinkt
entwickelt, bei so viel Naivität. Sie lachte auf. »Ja,
das ist wirklich so. Aber ich habe es jetzt bei meinem Aufenthalt
in Berlin gesehen: Die Welt ist so verdammt groß, doch ich
liebe Wuppertal. Hier bin ich geboren, und hier werde ich mit
großer Sicherheit auch sterben. Diese Stadt hat zwar viele
Macken und hässliche Ecken, aber sie ist auch so verdammt
schön. Diese Schönheit erkennt man zugegebenermaßen
oft erst auf den zweiten Blick, aber es gibt sie!«
»Du bist
verliebt in deine Stadt?«
»Das klingt fast
wie Else Lasker-Schüler«, lachte Heike. Dann nickte sie.
»Aber es ist wirklich so. Und ich liebe es, für die
Bewohner dieser Stadt über all die interessanten Dinge, die
hier geschehen, zu berichten.«
»Hey, du bist ja
eine richtige Lokalpatriotin.«
»Sozusagen,
ja«, räumte Heike ein, als ihr Handy vibrierte. Sie
murmelte eine Entschuldigung und zog das Telefon hervor. Wie sie
mit einem Blick auf das Display feststellte, rief Stefan
an.
»Ich dachte, du
machst die Liveübertragung vom Spiel des WFC im
Stadion?«
»Die mach’
ich auch«, erwiderte Stefan. »Das Spiel ist zu Ende,
und ich wollte ein Interview mit Fritz Plunger, dem
Präsidenten, führen.«
»Und? Was
hindert dich daran?«
»Er ist tot.
Plunger wurde ermordet in seiner Kabine gefunden. Und zwar von mir.
Sobald Kommissar Verdammt hier auftaucht, geht es mir an den
Kragen. Es wird ein gefundenes Fressen für Ulbricht sein, dass
ausgerechnet ich die Leiche entdeckt habe. Sag schon mal dem Chef
Bescheid, dass ich später komme. Und telefonier mit meinem
Anwalt. Heike, verdammt, mir geht der Arsch auf Grundeis.« So
etwas hatte Stefan schon einmal erlebt. Damals, bei dem
wohlhabenden Harald Spielberg, der sich vor seinen Augen das Leben
genommen
hatte.
»Was?«
Heike wurde es heiß. Das Blut schoss in ihr Gesicht.
»Plunger ist tot«, wiederholte Stefan aufgewühlt.
»Du musst sofort zum Sender und einen Beitrag vorbereiten.
Ich werde dir dann am Telefon Rede und Antwort stehen. Schaffst du
das bis zu den nächsten Lokalnachrichten?«
Heike nickte, was er
am anderen Ende der Leitung natürlich nicht sehen konnte.
»Klar, ich bin schon unterwegs.« Ohne eine Antwort
abzuwarten, drückte sie den roten Knopf am Handy.
»Ich muss leider
sofort weg«, sagte sie an Mike Müller gewandt und winkte
der Bedienung.
»Lass mal, das
übernehme ich«, erwiderte er schnell und zückte
seine Geldbörse. »Ist etwas Schlimmes … ich meine
…«
»Ich kann noch
nicht darüber reden, sei nicht böse!« Heike sprang
auf. »Und danke dir für das Bier!« In Gedanken war
sie schon bei
dem ermordeten Präsidenten des Fußballclubs. Obwohl sie
keine näheren Umstände kannte, beschlich sie eine
düstere Ahnung.
17
Samstag, 16:05 Uhr,
Redaktion der Wupperwelle
Die Kollegen musterten
Heike mit fragendem Blick, als sie atemlos in der Redaktion der
Wupperwelle auftauchte. »Hast du kein gemütliches
Zuhause?«, wurde sie von Karin Dahl begrüßt. Karin
hatte gleich Sendung. Sie hielt einen Stapel Manuskripte unter dem
Arm und einen Kaffeebecher in der rechten Hand. Karin Dahl war ein
Jahr jünger als Heike. Das lange dunkle Haar reichte ihr bis
zu den Schultern. Zu einem Trägershirt trug sie eine
figurbetonende weiße Caprihose und Flip-Flops. Heike wusste,
dass Karin schon seit langer Zeit ein Auge auf Stefan geworfen
hatte. In letzter Zeit hatte sie ja genug Gelegenheit gehabt,
Stefan anzumachen, dachte Heike und bezweifelte, dass Karin sich
über ihre Rückkehr in die Redaktion der Wupperwelle
wirklich freute.
»Nicht
wirklich«, erwiderte Heike nun. »Das Appartement in
Berlin ist mir zu weit weg. Jetzt bin ich auf Wohnungssuche. Wenn
du eine schöne Wohnung für mich
weißt?«
Karin Dahl
überlegte kurz und schüttelte dann die dunkle Mähne.
»Leider nicht, aber ich halte Augen und Ohren offen. Wo
schläfst du jetzt?«
»Ich werde wohl
bei Stefan wohnen, bis …«
»Klar«,
unterbrach Karin sie. »Bietet sich ja an. Er freut sich ja
auch riesig, dass du endlich wieder zurück in der Stadt
bist.« Spott lag in ihrer Stimme, während sie Heike
anlächelte. »Sicherlich wird er traurig sein, dass du
etwas Eigenes suchst.«
»Das glaube ich
nicht. Er möchte sich auch
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