Pinguin Mord
die Schläfen herunter.
Der junge Mann umklammerte den Hörer fester. Weiß traten
die Knöchel unter der Haut hervor. »Sie wissen genau,
was es bedeutet, wenn Sie nicht nach meiner Pfeife tanzen.«
Er hatte nur geflüstert, doch das hatte schon gereicht. Er
hielt die Fäden in der Hand, war seinem Gesprächspartner
überlegen. Alles verlief nach Plan.
Der Mann am anderen
Ende der Leitung räusperte sich, dann hüstelte er
verlegen. »Was wollen Sie von mir?«
Er kicherte.
»Das wissen Sie genau, Hurtiger. Ihr Laden brummt. Pro Tag
gluckern zig Liter Bier durch die durstigen Kehlen ihrer
Gäste. Aber was ist, wenn mal mehr Zutaten drin sind als nur
Hopfen, Malz, Hefe und Wasser?« Er machte eine kleine Pause,
bevor er fortfuhr. »Ich sehe schon die Schlagzeilen:
›Tote durch hausgemachtes Bier› ›Vergiftetes
Bier im Ausschank‹. ›Alkoholvergiftung der anderen
Art‹, und so weiter. Ihr Laden kann dichtmachen und Sie
werden Ihres Lebens nicht mehr froh. Wollen Sie das wirklich
riskieren?«
»Wir arbeiten
mit naturbelassenen Bieren«, entgegnete Hurtiger und hatte
Mühe, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Nährstoffe, Eiweiße, Mineralien und
Spurenelemente garantieren unseren Kunden einen vollmundigen
Trinkgenuss.«
Der Anrufer lachte
trocken auf. »Das klingt wie in einem Werbeprospekt,
Hurtiger. Sie müssten sich mal reden hören! Und trotzdem
… Schade, schade. Stellen Sie sich vor, dass halb Wuppertal
erkrankt oder sogar Menschen sterben, weil sie Ihr Bier getrunken
haben. Schrecklich.« Hohn lag in seiner Stimme.
»Ich will
endlich wissen, was das ganze Theater …«
Er hatte genug
gehört. Und er hatte alles gesagt, was zu sagen war. Es war
nicht auszuhalten in der Telefonzelle. Eine Sauna war ein Dreck
gegen das altertümliche Häuschen mit den kleinen Scheiben
und dem Münztelefon. Telefonzellen waren selten geworden im
Wuppertaler Stadtbild. Jeder besaß ein Handy, niemand war
mehr auf die sogenannten Münzfernsprecher oder Kartentelefone
angewiesen. Bewusst hatte er bei seinen Anrufen auf das Handy
verzichtet und immer aus verschiedenen öffentlichen
Telefonhäuschen angerufen. Sollte der
Geschäftsführer des Brauhauses eine Fangschaltung
eingerichtet haben lassen, gäbe es keine Spur zu ihm. Er
spürte, wie sein Kreislauf schlapp machte. Nichts wie raus
hier. Ohne Hurtiger ausreden zu lassen, hängte er ein und
wischte mit einem Tuch die Fingerabdrücke von der Tastatur und
dem Hörer. Teuflisch grinsend verließ er die
Telefonzelle am Wichlinghauser Markt, rempelte eine alte Frau an,
murmelte eine hastige Entschuldigung und marschierte zielstrebig
zur Bushaltestelle an der Wichlinghauser Straße. Endlich
wieder frische Luft. Rechts an der Ecke lag die
Stadtteilbibliothek. Kurz dahinter Samen Rabe und eine Apotheke.
Als er die Bushaltestelle »Wichlinghausen Markt«
erreichte, nahm niemand der anderen wartenden Fahrgäste Notiz
von ihm. Ein Bus der Linie 646 mit Fahrtziel Ronsdorf rollte in die
Haltebucht und kam mit zischender Feststellbremse zum Stehen. Die
Türen glitten auf, und er ließ sich auf der letzten Bank
im Bus nieder. Es stank bestialisch in dem überfüllten
Bus. Ausdünstungen von billigem Parfum, Knoblauch und der
penetrante Schweißgeruch einiger Fahrgäste lähmten
seine Atemwege. Er fächerte sich mit der flachen Hand Luft zu
und blickte scheinbar gedankenverloren aus dem Fenster. Mit einem
zufriedenen Grinsen lehnte er sich zurück. Er hatte die Lage
im Griff, und alles lief zu seiner Zufriedenheit. Phase zwei seines
Plans hatte begonnen…
32
Sonntag, 15:55 Uhr,
Langerfelder Straße
Unten auf der
Straße, warteten Heike und Stefan im Käfer. Peer
verließ das Miethaus und blinzelte kurz geblendet in die
Nachmittagssonne. Einen Augenblick lang verharrte er auf dem
Bürgersteig, dann ging er zielstrebig auf den Käfer zu.
Stefan lehnte lässig am vorderen rechten Kotflügel. Einen
Fuß hatte er auf den Reifen gestützt. Heike
lümmelte sich gelangweilt bei offener Tür auf dem
Beifahrersitz herum.
»Und?«,
empfing Stefan ihn.
»Gleich.«
Peer legte theatralisch den rechten Zeigefinger auf die Lippen,
fast so, als befürchtete er, dass sie jemand belauschen
könnte.
Heike war
ausgestiegen. Peer klappte die Lehne des Beifahrersitzes vor und
krabbelte etwas ungeschickt nach hinten auf die Rückbank.
Dabei präsentierte er Heike unfreiwillig seinen Hintern, was
sie mit einem gequälten Grinsen in Stefans Richtung
quittierte. Breitbeinig hockte Peer
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