Pinguinwetter: Roman (German Edition)
Ihnen dann zugeschickt«, kam es trocken von dem Rottenmeier-Verschnitt zurück.
Jetzt bricht sie sich doch glatt einen Zacken aus der hochtoupierten Zementkrone, dachte ich noch, schluckte den Gedanken aber runter, denn Frau Katzenbeisser sah das Gespräch anscheinend bereits als beendet an.
»Wie? Das war’s?!?«, fragte ich ungläubig.
»Im Moment kann ich nichts für Sie tun. Oder doch …« Sie sah mich eindringlich an. »Ich hätte da noch einen Tipp für Sie, Frau Sander«, sagte sie und zog sich ihre Brille auf den äußersten Rand der Nasenspitze. Dabei wurde ihr Blick auf eine merkwürdige Weise mitleidig. »Sehen Sie es, sagen wir mal, als kleine Anregung. Sie sollten sich vielleicht ernsthaft überlegen, schwanger zu werden.«
Waaaas?!? Das kann sie doch unmöglich ernst meinen!
»Noch haben Sie Zeit, Frau Sander. Das wird nicht ewig so bleiben. Denken Sie an meine Worte.«
Frau Katzenbeisser deutete auf ihre Armbanduhr und hielt mir anschließend eine Handvoll Prospekte hin, die mich über meine Rechte und Pflichten als Neu-Arbeitslose aufklären sollten. Dann streckte sie mir die rechte Hand entgegen, um sich von mir zu verabschieden. Ich nahm die Prospekte wortlos entgegen und schüttelte die Hand, die sich anfühlte wie die eiskalte Hand des Pförtners am Tor zur Hölle.
Als ich die Tür von Raum 312B hinter mir schloss, musste ich erst mal tief durchatmen. Nicht, dass es schon schlimm genug war, dass ich mir einen neuen Job suchen musste. Es schien auch fast unmöglich zu sein, etwas Adäquates zu finden. Und dann der Tipp, schwanger zu werden! Was dachte sich die blöde Kuh überhaupt? Ich ärgerte mich, dass ich ihr nicht einen passenden Spruch zurückgegeben hatte.
Jetzt ist es amtlich, dachte ich, ich bin unschwanger und erledigt.
*
Auf dem Nachhauseweg fiel es mir siedend heiß ein: Frau Tany! Sie würde diese Woche wie immer zum Putzen kommen. An sie hatte ich gar nicht mehr gedacht. In der aktuellen Situation konnte ich mir wohl keine Putzfrau mehr leisten, aber auf Frau Tany verzichten? Das war eine grauenhafte Vorstellung, vor allem wenn ich bedachte, wie viele Gläser, Vasen und Fenster ich in meiner kurzen Putzkarriere bereits auf dem Gewissen hatte. Erst letztens hatte ich mit Mona und Trine darüber gewitzelt, dass ich lieber eine Woche nichts essen würde, als auf Frau Tany zu verzichten. Plötzlich sah die Sache dann doch etwas anders aus …
Ich erinnerte mich daran, wie Frau Tany angerufen hatte, als ich per Annonce nach einer geeigneten Putzhilfe gesucht hatte. Sie war damals erst zwei Jahre in Deutschland und blickte dem Erwerb der deutschen Sprache noch freudig entgegen. Das Gespräch dauerte circa drei Sekunden.
»Hallo?«
»Hallo, hier ist Tany, ist Job noch frei?«
»Äh … Ja, ist er, aber …«
»Okay. Ich nehme.«
Das war Frau Tany.
Seitdem gab es statt Apfelschorle Ingwertee und seltsame geheime chinesische Heilmittelchen bei den geringsten Erkältungsbeschwerden meinerseits. Die Herkunft dieser Mittelchen hinterfragte ich nie, ich hielt es für besser so.
Ich entschied, Frau Tanys Kündigung auf nächste Woche zu verschieben. Fräulein Rottenmeier war genug für heute.
*
»Und, wie ist es gelaufen?«
Mona und Trine hatten schon gespannt auf meine Rückkehr von der Agentur für Arbeit gewartet.
»Beschissen!«
Mit einem lauten Seufzer ließ ich mich auf Monas filzbestückter Couch nieder, die durch Trine bereits so tief durchhing, dass ich mir ernsthaft Sorgen machte, ob wir beide jemals wieder aus der Versenkung emporsteigen würden.
»Und dafür hab ich mich in meinen besten Hosenanzug geschmissen.«
»Na, das hätte ich dir gleich sagen können. Was anderes als verwalten tun die da nicht«, gab Mona unbeeindruckt zurück. Ihr Blick fiel neugierig auf meine mitgebrachten Tüten. »Was hast du denn da drin?«
»Nutella?«, fragte Trine freudig. Seit der Schwangerschaft war ihr ohnehin schon übernatürlich hoher Nuss-Nougat-Creme-Konsum ins Unermessliche gestiegen.
»Alles, was fettig ist und dick macht«, antwortete ich. »Der Arbeitsmarkt will mich sowieso nur noch als Gebärmaschine, da kommt es auf das eine oder andere zusätzliche Pfund auch nicht mehr an.« Ich hielt mir die Hand vor den Mund. »Oh.« Ich schluckte. »Trine, ich wollte nicht …«
»Schon gut, ich liebe meinen Job hier.« Sanft streichelte sie sich über ihren Bauch. »Wer kann denn sonst ungestraft ein Glas Nutella mit zehn Prozent extra an einem Tag leermachen? Und
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