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Pinguinwetter: Roman (German Edition)

Pinguinwetter: Roman (German Edition)

Titel: Pinguinwetter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Sabbag
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aus?«

6. Kapitel
    »Ja bitte?«
    »Sander. Charlotte Sander. Ich hatte einen Termin um zehn.«
    »Aha. Und?«
    »Und was?«
    »Haben wir schon zehn?«
    Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Was glaubte dieser spitzlippige, vertrocknete Fräulein-Rottenmeier-Verschnitt eigentlich, wer sie war?
    Ich schloss die Tür von Raum 312B wieder und ließ mich wutschnaubend auf den Stuhl im Gang der Agentur für Arbeit nieder.
    Drei Minuten vor zehn war ich da gewesen, und dieses dreiste Subjekt diktierte mich sofort wieder vor die Tür? Dabei war weit und breit kein anderer Kunde (eine Bezeichnung, die ich mit höchstem Verwundern auf meiner Einladung der Agentur für Arbeit entdeckt hatte) zu sehen.
    Fräulein Rottenmeier alias Frau Katzenbeisser machte nicht gerade den Eindruck, stark überarbeitet zu sein. Als ich die Tür geöffnet hatte, war sie gerade dabei, sich den knallroten Lippenstift nachzuziehen, der ihre dünnen Lippen noch spitzer aussehen ließ und in der trostlosen Umgebung ein wenig overdressed wirkte.
    »Sander?«, schallte es nun nach Ausbilder-Schmidt-Manier durch die geschlossene Tür.
    Punkt zehn. Aha. Frau Resa Katzenbeisser hatte also eine gewisse Pünktlichkeitsmanie.
    Ich betrat wortlos Zimmer 312B und setzte mich auf den Stuhl vor Frau Katzenbeisser-Rottenmeiers Schreibtisch.
    Sie trug eine Perlenkette und eine Brille, die ganz tief auf ihrer Nase saß. Dazu eine schwarze Kostüm-Kombination, die selbst auf einer Beerdigung depressiv wirken würde. Der grellrote Lippenstift begann auf ihren trockenen Lippen bereits leicht zu bröckeln.
    »So, Frau Sander. Dann wollen wir mal. Ich werde nun aufnehmen, was Sie bis jetzt alles gemacht haben, was für Sie infrage kommt und was Sie an Qualifikationen mitbringen. Ihren Lebenslauf können Sie direkt hierlassen. Können Sie tippen? Wie sieht es mit Buchhaltung aus? Administrative Aufgaben? Sekretariat? Arbeitsrecht?«
    Frau Katzenbeisser stellte gefühlte hundertachtundzwanzig Fragen, meist mehr als sechs in einem Satz. Ich war bereits nach zehn Sekunden gereizt, versuchte aber, es mir nicht anmerken zu lassen.
    »Hören Sie, Frau Rott… ähm … Frau Rotten… äh … Katzenbeisser, ich bin Lektorin«, unterbrach ich sie. »Was habe ich da mit Ablage und Arbeitsrecht am Hut? Haben Sie nun eine geeignete Stelle für mich oder nicht?«
    Frau Katzenbeisser sah mich durch ihre Brille an, die sie bereits bis ganz vorn zur Nasenspitze gezogen hatte. »Lektorenstellen. Da kennen Sie wohl den Markt nicht. Nein, Lektorenstellen sind gerade aus.« Ein schrilles, einem Lachen annähernd ähnliches Geräusch entwischte ihren Bröckellippen. Sie versuchte tatsächlich, einen Scherz zu machen. Dann wurde sie wieder ernst. »Sie können froh sein, wenn Sie zum Übergang was im Sekretariat finden.«
    Ich wusste, dass die Lage gerade mehr als ungünstig war, denn ich hatte mich bereits nach freien Stellen bei bekannten Verlagen umgehört. Im Moment reduzierten viele Verlage jedoch ihre Mitarbeiterzahl, denn die Nachwirkungen der Finanzkrise waren noch immer spürbar. Trotzdem wollte ich jetzt keinen Job annehmen, der mir überhaupt keinen Spaß machte und für den ich mein Studium nicht einmal im Ansatz brauchte.
    »Also ich denke nicht, dass etwas von Ihren Angeboten für mich infrage kommt«, erklärte ich steif. »Ich möchte in meinem erlernten Beruf arbeiten. Oder zumindest etwas Ähnliches tun, etwas, das meinem Abschluss gerecht wird. Ich bin doch völlig überqualifiziert für das, was Sie mir hier vorschlagen!«
    Jetzt setzte Frau Katzenbeisser ein Lächeln auf, das mich schwer an eine Figur aus Shining erinnerte. Ein kurzer Gänsehautschauer überkam mich.
    »Überqualifiziert also, ja?« Sie spitzte ihre Bröckellippen. »Von dem hohen Ross werden Sie schon noch herunterkommen«, erklärte sie trocken. »Da hab ich bereits ganz andere Leute hier sitzen gehabt. Manager, Firmenleiter, alles Mögliche. Und heute pflanzen sie Bäume im Akkord in Sundsvall.«
    Ich musste schlucken. Ich sah mich bereits Spargel stechend auf den Feldern im Heimatdorf meiner Mutter. Apropos – die hatte sich auch nicht mehr gemeldet. Wo sie wohl gerade war …
    »Ich hätte auch mal eine Frage«, wechselte ich das Gänsehaut verursachende Thema. »Wie setzt sich das Arbeitslosengeld denn genau zusamm…«
    »Das gehört nicht zu meinem Bereich. Diese Frage müssen Sie den Kollegen im Erdgeschoss stellen. Raum 115.« Sie sortierte ihre Blätter. »So! Geeignete Stellenangebote werden

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