Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
dreihundert Meter an die Abwurfstelle heranfahren. Die Ebene ist übersichtlich und am Rande mit Büschen und Bäumen besetzt. Wir werden uns ein, zwei Stunden vorher hier auf die Lauer legen und die Ankunft der Strolche abwarten. Dabei können wir genau feststellen, wie viele es sind. Das ist äußerst wichtig, denn es darf nicht einer entkommen.«
    »Bravo!« rief Enzo, und die anderen klatschten. »Es ist anzunehmen, daß der Fahrer der Molosso-Lumpen beim Wagen bleibt und zugleich als Posten das Gelände sichert. Den erledigen wir zuerst«, erklärte der Untergrundspezialist.
    »Das macht Mauro«, erwiderte Pluto und deutete auf den Mann mit den verwilderten Haaren, einen der Meridionali, die vom untersten Absatz des Stiefels nach Mittelitalien eingewandert waren. »Das ist Messerarbeit.«
    »Bene«, entgegnete der Organisator. »Während des Anflugs der Transportmaschine werden sicherheitshalber andere US-Flugzeuge in die weitere Umgebung ein paar Bomben setzen, um Zeugen im Haus zu halten und genügend Lärm zu machen, damit wir unbemerkt an die Verräterbande herankommen.« Panizza überzeugte sich, daß sie ihn verstanden hatten. »Die Transportmaschine fliegt drei Platzrunden. Dann wird vermutlich Molosso selbst eine Leuchtkugel als Signal abschießen. Wenn sie am Himmel platzt, ist es so hell, daß ihr die Kerle seht. Ihr streckt sie dann unverzüglich nieder.«
    »Finalmente«, warf Pluto ein. Am liebsten wären sie sofort losgezogen; sie konnten es nicht erwarten, dem Verhaßten zu begegnen. »Das schaffen wir spielend.«
    »Wie gefällt dir Enzo?« fragte Herbie.
    »So gut wie alle anderen …«
    »Sicher«, versetzte der OSS-Agent, »aber Enzo wird bald mein Schwager sein.«
    »Slow down«, entgegnete Jack, »du willst …«
    »… seine Schwester heiraten. Es ist die Frau, die mich versteckt hat. Eine junge Witwe«, erklärte der zweite Überlebende. »Die heißt Gioia, die Freude, Gioia macht Freude, und wir lieben uns. Wir sind bereits verlobt, und ich werde sie nach Amerika mitnehmen.«
    »Das ging aber verdammt schnell, Herbie …«
    »In der ersten Minute«, sagte der Überlebende. »Es war, als hätte mich der Blitz getroffen – und Gioia auch.«
    Er war kein Schwätzer und kein Schürzenjäger. Wenn er eine Braut hatte, dann war es ihm ernst damit. Herbie, dessen Vater bei der Einwanderung noch ›Mugnaio‹ (›Müller‹) geheißen hatte, war auch als Amerikaner noch Italiener genug, um zu wissen, daß man den Ruf einer jungen Frau unbedingt zu achten habe.
    »Wenn wir das überstanden haben, mußt du Gioia kennenlernen«, sagte der Verliebte. »Sie wohnt ganz in der Nähe – soviel Zeit muß sein.« Er zog ein Foto aus der Tasche: Es zeigte eine dunkelhaarige Frau mit großen Augen und einem unbeschriebenen Gesicht.
    »Bildhübsch«, bestätigte Jack und überlegte, ob er einen Mann, der viel zu glücklich war, um zu töten, auf diesen mörderischen Einsatz überhaupt mitnehmen sollte.
    »Sei unbesorgt, Jack«, sagte der blonde Troubadour. »Ich denke erst danach wieder an Gioia – und zuvor an die Erschießungen in La Spezia.«
    »Okay, Herbie«, erwiderte Panizza und klopfte ihm auf die Schulter.
    Gegen 22 Uhr zogen sie los, drei Amerikaner der Untergrundeinheit OSS und fünf italienische Sozialisten. Sie fuhren die ersten Kilometer mit dem Wagen, sprangen dann ab und pirschten vorsichtig durch die Nacht. Gelegentlich riß weit hinten die Flammenhölle Löcher in die Dunkelheit, aber die Kampfhandlungen an der Front beschränkten sich auf einzelne Feuerüberfälle.
    Die alliierte Strategie schien sich auf der Apenninhalbinsel weiterhin nach der Devise abzuspielen: Eile mit Weile. Längst fragte man sich in London und vor allem in Washington, ob sich der Einsatz so vieler Soldaten und die hohe Investition an Waffen und Ausrüstung auf diesem Nebenkriegsschauplatz noch auszahle.
    Soeben mußte Oberbefehlshaber Harold Alexander nach den zwei bereits für die Invasion am Atlantik abgestellten Elitedivisionen noch drei weitere für die ›Operation Amboss‹ abgeben, die zweite Landung bei Cannes und Nizza. Trotzdem hielten die Alliierten den Krieg in Italien nach wie vor für wichtig, denn er band 26 deutsche Divisionen, die sonst an der Invasionsfront oder in Russland eingesetzt werden konnten. Außerdem hatten die Angloamerikaner Flugplätze erobert, von denen aus sie Angriffe nach Deutschland, Südfrankreich und dem Balkan fliegen konnten, die sonst außerhalb ihrer Reichweite

Weitere Kostenlose Bücher