Pink Christmas (German Edition)
Flüche, eine Flasche ging zu Bruch. Das Kreischen der Frau. Dann Hilferufe, die bald erstarben, zum erbärmlichen Geheule wurden. Es war der dicke Nicolai, der heulte.
Dann kam Juri zurück in die Kammer. Er war aufgeregt und atmete schwer. Ein kleines blutiges Rinnsal unter der Nase tropfte auf seine Lippen. Einen Augenblick bleib er an der Tür stehen.
„Der versucht es nicht noch mal, das Schwein! Mit dem bin ich fertig.“
Juri erhob drohend die Faust. Seine Stimme überschlug sich fast vor Hass.
Juri zog unter dem alten Eisenbett einen kleinen Karton hervor, in dem sich sein ganzer Besitz befand.
„Was tust du da?“, fragte Petja. Er hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen und zitterte trotzdem immer noch vor Kälte.
„Ich gehe! Ich bleibe nicht länger hier.“ Juri klemmte sich den Karton unter den Arm, als Petja keuchte: „Und ich? Kann ich mit?“
Juri schüttelte den Kopf. „Ich kann dich nicht mitnehmen, nicht dorthin, wohin ich gehe!“
Juri wollte zur Tür raus, drehte sich noch einmal um nach seinem kleinen Freund. Da saß Petja, mit ausgestreckten Armen, geweiteten Augen und mit aufgerissenem Mund, aus dem kein Laut kam. Ein grauenhafter Anblick.
„Petja, was hast du?“ Der Junge hatte schreien wollen, war aber nicht fähig dazu gewesen, so groß war das Entsetzen. Juri schüttelte ihn. Er schlug ihm ins Gesicht. „Du atmest ja gar nicht! Petja! Du musst atmen, sonst stirbst du!“ Verzweifelt schüttelte er Petja, immer wieder, doch der blieb wie versteinert. Eines der Kinder nahm ein Glas voll mit eisig kaltem Wasser und schüttelte es ihm ins Gesicht.
„Hat bei meiner Mutter auch immer geholfen, wenn sie besoffen war.“
Und wirklich, Petja schnappte nach Luft, ein lang gezogenes lautes Röcheln, nichts menschenähnliches, wie ein sterbendes Tier.
Juri wollte wieder zur Tür gehen, doch da warf sich Petja auf ihn, hielt ihn fest, klammerte sich an seine Jacke.
„Und was ist mit mir? Du darfst mich nicht allein lassen. Mit Nicolai. Du gehst, wer weiß wohin, und ich soll hier bleiben? Ich habe doch nur dich!“
Juri krampfte sich der Magen zusammen. Er schob den Karton wieder unter das Bett.
„Beruhige dich, ganz ruhig. Na gut, ich bleibe. Aber dieses Schwein dort draußen“, er drohte mit der Faust in Richtung Tür, „ich bringe ihn um, wenn er mich noch einmal anrührt. Komm, leg dich zu mir. “
Petjas schlanker Körper presste sich verzweifelt an Juri, so eng umschlang er ihn, als wollte er mit ihm verschmelzen. „Und du verlässt mich nicht?“
„Nein, ich bleibe bei dir. Schon gut, du erwürgst mich ja.“
Im Innersten aufgewühlt, wie beide waren, dachte zunächst keiner an Schlaf. Petja bemühte sich, Juri seine Dankbarkeit zu zeigen, indem er tat, was er konnte, um Juri zu befriedigen. Aus Dankbarkeit. Aus Freundschaft. Und Juri nahm alles, was er kriegen konnte. Da war keine Zärtlichkeit, keine Liebe, sondern Verzweiflung und der unbändige Wunsch, sein Territorium zu markieren, wie ein Tier, das keinen Rivalen in seiner Nähe duldete.
In den nächsten Tagen kam es zu einem Machtwechsel. Der dicke Nicolai umschmeichelte mit hündischer Ergebenheit Juri, den neuen Chef. Der Alte wurde immer mehr zu Juris Fußabtreter.
Das widerliche Frauenzimmer versuchte, Juri einzuwickeln, aber der schlief dort, wo er immer geschlafen hatte. Neben Petja.
Die wenigen Wochen bis Weihnachten vergingen schnell.
Petja bettelte nicht mehr. Ein Junge mit einem solchen Engelsgesicht konnte auf dem Moskauer Bahnhof besser verdienen.
„Schau!“ Stolz zeigte Petja eines Morgens die Ausbeute der vergangenen Nacht. In dem kleinen Nest, das seine zierlichen Hände bildeten, lag so viel Geld, dass Juri die Luft weg blieb.
„Wo hast du das gestohlen?“, fragte er ungläubig.
„Ich habe es nicht gestohlen. Das habe ich verdient.“
Juri kratzte sich am Kinn. Der Bart wuchs immer dichter und er musste sich jeden zweiten Tag rasieren.
„Hör mal, das gefällt mir nicht. Was hast du alles machen müssen, damit du das bekommen hast?“ Juris Augen begannen gefährlich zu funkeln.
Petja zuckte mit den Schultern. „Wie sonst auch, nichts besonderes. Ich hab ihm eben gefallen. Er hat mich für morgen Abend wieder bestellt. Zu sich nach Hause.“
Der dicke Nicolai würde es nicht wagen, dem Jungen das Geld wegzunehmen, denn der stand unter Juris Schutz. Petja würde es behalten können. So viel Geld, und es gehörte ihm allein ... Was sollte er damit anfangen?
„Komm, Juri,
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