Pink Christmas (German Edition)
den Jungen am Oberarm und schlug ihm mit der Rechten ins Gesicht. „Hörst du nicht, was ich sage! Los, anziehn! Wir müssen abhaun!“
Der dicke Nicolai tauchte im Türrahmen auf, hörte neugierig zu. Juri packte ihn am Kragen, warf ihn gegen die Wand und drückte ihm dann mit dem Unterarm den Hals zu.
„Und du halt bloß das Maul, du dreckiges Schwein, sonst bist du der nächste. Verstehst du? Ich erfahre es, wenn du den Bullen was verrätst, glaub mir. Ich schneide dir die Kehle durch, wenn du ein Sterbenswörtchen sagst.“ Dann ließ er ihn los.
Nicolai fiel schwer auf die Knie, japste keuchend nach Luft, hustete, spuckte.
Als er wieder atmen konnte, waren Juri und Petja verschwunden.
„Wohin gehen wir?“ Petja hastete so gut er konnte seinem großen Freund hinterher.
„Weg. Erst mal weg!“ Juri blieb einen Augenblick stehen, sah sich lauernd um, witterte wie ein Wolf, ob sich irgendeine Gefahr im Schatten der Nacht versteckte.
„Dort hin!“ Juri zeigte auf eine Anzahl von Müllcontainern, die am Straßenrand standen. „Dort sind wir erst mal sicher.“
Petja zog die Nase beleidigt kraus. „Das stinkt!“
Es quitschte laut, als Juri den Deckel öffnete. „Hilf mal, die Ratten raus zu jagen.“
Eine Hand voll kleiner, dunkler Schatten huschte blitzschnell in alle Richtungen davon, fiepte dabei.
Als sie beide im Container lagen, irgendwie weich auf all dem Papier- und Plastikmüll, zog Juri den Deckel zu und atmete beruhigt auf.
„Wir müssen hier weg, Kleiner. Ich hab die Schnauze voll von Moskau! Morgen fahren wir mit dem Zug nach Kiew.“
Juri zündete sich eine selbst gedrehte Zigarette an. Der aufsteigende Rauch war süßlich. Es war nicht nur Tabak in dieser Zigarette. Das grelle Aufflammen des Streichholzes erleuchtete für Augenblicke ihre kleine, dunkle Höhle.
„Was hast du getan?“ Petja griff nach Juris Hand. Die Knöchel waren rot und blutig. „Hast du eine Schlägerei gehabt? Wer ist hinter dir her?“
„Das ist nichts, lass!“
Dann griff Juri in die Jackentasche und zog etwas daraus hervor.
„Frohe Weihnachten, Kleiner!“ Er drückte dem erstaunten Petja etwas kaltes, weißes in die Hand, etwas, das sich anfühlte wie Seide und Porzellan.
Als Juri gierig an seiner Zigarette zog, erleuchtete die Glut den Weißen Bajazzo. Einige kleine Blutflecken waren auf der weißen Seide.
Petja formte mit den Lippen ein „Oooo“, doch es blieb stumm, der Schreck über das Geschenk nahm ihm den Atem.
„Frohe Weihnachten“, wiederholte Juri und da war plötzlich etwas fröhliches in ihm, wo ihm doch eigentlich zum Heulen zu Mute war.
„Für mich?“ Petja war sprachlos, entzückt, erstaunt ...
Er fiel Juri um den Hals, drückte ihn, dankte ihm überschwänglich mit Worten, mit Küssen, mit unzähligen Umarmungen.
Eisern umklammerte der Junge den Bajazzo und presste ihn gegen die Brust.
Juri öffnete den Container und warf den Zigarettenstummel raus. Der Himmel war übersät mit Sternen.
Mit einem Mal wurde Petja ganz ernst.
„Den hast du doch nicht gekauft!“, Petja rutschte ganz dicht an Juri, der ihn in den Arm nahm.
„Der Alte wollte gerade den Laden zu machen. Einen scharfen Hund hatte er auch. Da hab ich beide ...“ Juri formte mit den Fingern einen Pistolenlauf und schoss damit lautlos zwei Mal.
„Du hast eine Pistole?“, bewundernd sah Petja seinen großen Freund an.
Eine Pistole zu haben, das war schon etwas. Damit war man jemand!
Juri nickte nur.
Petja war überglücklich! Es begann in ihm zu summen und zu klingen. Juri hatte für ihn getötet. Er hatte es für ihn getan. Nur für ihn. Nur für ihn ...
In den folgenden Jahren sollte es nicht bei dem einen mal bleiben, aber das wusste Petja heute nicht.
Der Junge drückte seinen biegsamen Körper an Juris Muskeln. Er würde ihm auf seine Art danken. Die kleine kalte Hand glitt unter Juris Jacke, drängte in den Bund der alten Hose. Er würde es ihm ganz besonders schön machen, heute. Doch Juri stieß ihn weg, stieß so hart, dass Petja schmerzvoll aufstöhnte.
„Lass das. Wehe, du fasst mich noch mal an.“
Juri erhob die geballte Faust und hielt sie drohend dem Jungen vor die Nase.
Petja war verwirrt, verletzt, ratlos.
„Glaubst du, ich bin irgend so ein Arschloch vom Bahnhof? Willst du mich damit bezahlen, oder was? Oder glaubst du, ich will dich bezahlen? Damit?“ Und Juri riss den Bajazzo aus Petjas Hand, öffnete den Container und feuerte ihn in die Dunkelheit hinaus. Den Bajazzo,
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