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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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kaputt. Wenn du einen guten Ehemann
abkriegen willst, ist es wichtig, dass du auf deine Zähne achtest…« Dalita
holte Luft. »So konnte sie ewig weitermachen, ein wahrer Sturzbach von
komischen Ratschlägen.«
    »Hochhackige Schuhe verderben die Füße«, erinnerte sich eine andere
Frau. »Was totaler Blödsinn ist. Ich hab mein Leben lang Highheels getragen,
nur um meine Mutter zu ärgern, und meinen Füßen geht’s prima.«
    [239]  »Man bekommt nicht, was man verdient«, rief eine andere, »man
muss dafür kämpfen.«
    Eine Dritte: »Wer sich selbst in Gefahr
begibt, der kommt drin um.«
    »Pass auf, was du dir wünschst, es könnte eintreffen«, die Nächste.
    »Was ist mit deiner Mutter?«, fragte mich Dalita.
    »Sie hat mich davor gewarnt, jemals mit Rauchen anzufangen«, log
ich, weil mir das zufällig in den Sinn kam, zündete eine Zigarette an und hielt
das Päckchen Dalita hin. Gackernd nahm sie sich eine.
    Als ich nach oben ging, war David schon wieder da und in
ausgelassener Stimmung. Er hatte die Kamera gezückt, und kaum kam ich durch die
Tür, verschwitzt von einem Vormittag am Pool, nach Chlor und Sonne riechend,
fotografierte er mich. Er lächelte. Es erinnerte mich an den Morgen nach Lilys
Totenwache, als er im diesigen Licht des frühen Morgens unaufhörlich Fotos
geschossen hatte. Ich fragte mich, ob auch er daran dachte.
    »Nicht«, sagte ich ihm.
    »Lächeln, meine Hübsche«, sagte er.
    »Nein«, sagte ich und drehte ihm den Rücken zu. Einen Moment lang
herrschte Stille, keiner bewegte sich. Ich liebte ihn. Und wie. Nichts zählte,
nicht einmal Lily. Weder Richard noch das Pink Hotel. Nichts. Ich wusste, dass
er das Glasauge seiner Kamera auf meinen Rücken gerichtet hatte. Ich kam mir
vor wie ein zum Abschuss freigegebener Hirsch. Unter dem verschwitzten T-Shirt
kribbelte mein Rückgrat. Meine Zehen krümmten sich. [240]  Dann hielt ich es nicht
mehr aus und linste über die Schulter. Sofort schoss er ein Foto. Peng. Ich war
tot.
    »Was ist eigentlich aus den Fotos vom Strand geworden?«, sagte ich,
nachdem ich mich wieder von ihm abgewandt hatte und als Silhouette vor dem Fenster
stand.
    »Welche Fotos?«
    »Nach der Totenwache«, sagte ich.
    Er zuckte die Achseln.
    »Wahrscheinlich im Büro«, sagte er. Seine Miene verdüsterte sich
kurz, hellte sich aber gleich wieder auf. »Ich seh mal nach. Zieh dein T-Shirt
aus, du entzückende kleine Diebin.«
    »Nein«, sagte ich lachend. »He, David, warum hast du überhaupt keine
privaten Fotos in der Wohnung? Solche wie das in der Sockenschublade, von dir
und deinen Freunden in dem Auto?«
    »Hast du herumgeschnüffelt?« Er lächelte.
    »Was ist aus all den Leuten geworden? Sam und so weiter? Wieso
willst du sie überhaupt nicht mehr treffen?«
    »An solche Momente erinnere ich mich nur noch durch Fotos. An die
Leute erinnere ich mich auch kaum noch, sie waren unwichtig. Das hässliche Auto
hab ich nicht mehr. Das hat mich an meinen Suff erinnert.«
    »Und die Freunde, hast du die auch nicht mehr?«
    David antwortete nicht gleich.
    »Wenn du das T-Shirt ausziehst, tapeziere ich alle meine Wände hier
mit Fotos von dir«, sagte er schließlich. »Als Ausgleich für meine lückenhafte
Lebensgeschichte.«
    »Bitte nicht«, wehrte ich lachend ab.
    [241]  »Na, komm schon«, bat er. »Zieh dich aus.«
    »Nein.« Ich lachte immer noch. » Du ziehst
dein Hemd aus.«
    Und natürlich zog er ohne zu zögern sein Hemd aus. Er zog sein
T-Shirt aus, seine Hose und dann seine Boxershorts, bis er splitternackt im
Wohnzimmer stand, bis auf zwei verschiedenfarbige Socken. Ich musste wieder
lachen und warf einen Blick aus dem Fenster, weil man aus dem Wohnzimmer auf
den Gang vor den Wohnungen blickte. Jeder hätte vorbeigehen und seine Bräunungsstreifen,
seine haarigen Beine sehen können. Er hatte umwerfende Waden: muskulös,
behaart, sehnig.
    »Jetzt bist du dran«, sagte er. Sein Blick beruhigte und
verunsicherte mich gleichzeitig. Seine Augen hatten immer etwas Verschmitztes,
als denke er gerade an einen Witz und ich wäre die Pointe.
    »Da wird nichts draus«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Er kam
einen Schritt auf mich zu, und ich machte einen Schritt Richtung Tür.
    »Bitte?«, versuchte er es. »Wie wär’s
mit nur einem Flipflop?«
    Da lachten wir beide, und er machte ein paar Fotos – von mir, wie
ich lachte, wie sich mein Kopf im T-Shirt verhedderte, wie ich einen Flipflop
auszog, dann den anderen, und schon hatte ich nur noch mein

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