Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
wunderliches Begebnis sehen lassen, das ich, so es mir jemand erzählte, schwerlich würde glauben können. Als ich an einem gewissen Tag mit diesem Mann auf die Jagd gegangen war, hörten wir einen Haufen wilder Hunde, die ein wildes Schwein umstellt und in der Hatz hatten. Wir ließen unsere Hunde bei einem Knecht zurück und gingen jeder mit einem geladenen Rohr auf der Schulter darauf zu. Da wir dem Orte nahe gekommen, stiegen wir jeder auf einen Baum, so daß wir die Hunden sehen konnten, die das Schwein, das mit dem Rücken gegen einen Baum stand, umzingelt hatten. Sie standen rundum und bellten, wagten aber nicht es anzufallen. Das wilde Schwein stand auf seinen Hinterpfoten gegen den Baum, und wenn ein Hund es angefallen und das Schwein ihn mit seinen Hauern getroffen hätte, kam er gewiß ein zweites Mal nicht wieder. Nachdem sie es ungefähr eine Stunde so aufgehalten hatten, sprang das Schwein auf und wollte davon, allein da kam stracks ein Hund von hinten angesetzt, der ihm die Hoden mit einem Biss abriß, worauf die anderen alle augenblicklich ihm am Halse hingen und es zu Tode bissen. Sobald sich das wilde Schwein nicht mehr rührte, wichen alle die Hunde zurück und legten sich rund um das Schwein herum; der aber, so es ausgespürt hatte, begann es anzubeißen und, nachdem er genug gefressen, kamen die anderen alle herbei und in weniger als einer halben Stunde war das Schwein samt Haut und Haar verschlungen. Hier sollte man fast sagen, daß auch die Tiere eine gewisse Einsicht haben, den Menschen zur Lehre: wie sie denen, so sie es schuldig, Ehre erweisen sollen, zeigt sich an diesen Hunden, die Ehre erweisen dem Hund, der das wilde Schwein gefunden hat. Der Mann, der mit mir war, erzählte mir, daß er des öfteren gesehen und beobachtet, daß unter jedem Trupp Hunde einer sei, welcher vorausgehe und spüre und, sobald er etwas gefunden, nichts anderes tue als fünf- oder sechsmal bellen, wenn aber die anderen da seien, sehe er der Arbeit zu. Dasselbe habe ich bei zahmen Hunden bemerkt, denn alle Jäger haben einen Spürhund bei sich, das Wild aufzusuchen, und sobald er etwas gefunden, geht er und ruht, bis das Tier von den Jägern getötet und ihm ein Stück davon gegeben ist. Danach läuft er wieder weg, ein neues aufzusuchen, und alle die anderen Hunde bleiben indessen bei dem Jäger, bis sie den Spürer wieder bellen hören.
Als der Gouverneur von Tortuga Monsieur Bertrand d´Orgeron sah, daß die wilden Hunde unter den wilden Schweinen großen Schaden anrichteten, und die Jäger große Mühe hatten, Fleisch für das Volk auf den Plantagen zu schaffen, war er auf Mittel bedacht, sie alle auf einmal zu vertilgen. Zu diesem Ende verschrieb er im Jahre 1668 Gift aus Frankreich und, nachdem er es bekommen, ließ er einige Pferde totschießen, öffnen und durch und durch vergiften. Das währte wohl sechs Monate lang, ohne daß man merkte, daß die Hunde sich sehr verminderten. Diese Hunde können gezähmt werden. So kommt es oftmals vor, daß die Jäger eine Hündin mit ihrem Wurf finden, die Jungen mit nach Hause nehmen und aufziehen. Hernach werden selbige zum Jagen gebraucht.
Es möchte aber der günstige Leser begierig sein zu wissen, wie doch die wilden Hunde auf die Insel gekommen sind. Darauf will ich Rede stehen, soviel als mir bekannt ist. Als die Spanier sich zu Herren der Insel Española gemacht hatten, war sie voll von Indianern. Dies, als sie merkten, daß die Spanier sie unter dem Vorwand der Freundschaft übermeistern wollten, rebellierten gegen die spanische Regierung und taten ihr viel Abbruch, also daß die Spanier genötigt waren, alle Indianer auszurotten. Da aber dieselben sich im Busch verborgen hielten, fanden die Spanier kein besseres Mittel, als Hunde zu nehmen, die Indianer aufzuspüren. Hatten diese sie gefunden, so hieben sie dieselben in Stücke und speisten ihre Hunde damit, wodurch dann die Indianer dermaßen abgeschreckt wurden, daß sie von dieser Zeit an nicht mehr zum Vorschein zu kommen wagten, und der größte Teil von ihnen der sich aus Furcht in den Felsen verborgen, Hungers verstorben ist. Ich habe selbst in einigen Bergen Höhlen gesehen, die voll menschlicher Gebeine waren, nach vernünftiger Mutmaßung von mehr als hundert Menschen. Dergleichen Höhlen findet man auf der Jagd von ungefähr sehr oft. Als nun die Indianer sich nicht mehr blicken ließen, haben die Spanier ihre Hunde haufenweise umherstreichen lassen, woraus denn die wilden Hunde entstanden
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