Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
tragen müßten (denn wenn die Spanier Räuber fangen, zwingen sie selbige als Sklaven Kalk und Steine zu tragen und behalten sie drei oder vier Jahre, und wenn sie ihrer nicht mehr bedürfen, schicken sie sie mit den Galionen nach Spanien), auch ward ihm zugebilligt, ihn mitsamt seiner Mannschaft bei erster Gelegenheit nach Spanien zu senden. Er übergab nun die Beute mit großem Leidwesen, weil da mehr als hunderttausend Stück von Achten an Perlen vorhanden waren, denn der Fang von allen Barken war da zusammengeschüttet. Gewißlich wäre das für diesen Räuber eine große Beute gewesen, wenn er sie hätte behalten dürfen, was ihm ohne allen Zweifel hätte glücken müssen, wäre der große Mast nicht gebrochen. Sehet allhier noch ein ander Exempel, das nicht minder kühn begonnen und nicht minder unglücklich geendigt hat.
Bartholomäus de Portugees, ein Portugiese von Geburt, fuhr von Jamaika in einer Barke, montiert mit vier Stücken und dreißig Köpfen. Als er in der Gegend des Cabo Corrientes an der Insel Cuba war, kam ihm ein Schiff entgegen, das von Maracaibo und Cartagena nach Havanna und weiter nach Española wollte. Das Schiff war montiert mit zwanzig Kanonen und siebzig Mann, sowohl Passagieren als Schiffsvolk und auch mit allem anderen wohl versehen. Die Räuber resolvierten untereinander solches anzugreifen, was sie auch mit großer Courage taten, wurden aber von den Spaniern tapfer abgeschlagen, sie aber fielen ein zweites Mal an und nahmen das Schiff mit Verlust von nur zehn Mann und vier Verwundeten. Also haben das Schiff ihrer fünfzehn in Besitz genommen, während von den Spaniern an Gesunden und Verwundeten noch vierzig am Leben waren. Weil ihnen nun der Wind nach Jamaika zu segeln konträr war, beschlossen sie, da sie an Wasser Mangel litten, nach Cabo S. Antonio zu gehen, welches die westliche Ecke von Cuba ist. In der Nähe von Cabo S. Antonio stießen sie auf drei Schiffe, die von Neuspanien nach Havanna gingen; diese liefen auf sie los, zwangen ihnen die Beute ab, und sie mußten sich alle gefangen geben. Dies jammerte sie nicht wenig, eine so köstliche Beute ausliefern zu müssen, denn das Schiff war mit hundertundzwanzigtausend Pfund Kakao geladen und enthielt außerdem an siebzigtausend Stück von Achten. Zwei Tage nachdem sie genommen waren, erhob sich ein großer Sturm, so daß die Schiffe voneinander gerieten. Das große Schiff, auf welchem die Räuber gefangen waren, lief in Campeche ein. Da kamen verschiedene Kaufleute an Bord dieses Kauffahrers, um dem Kapitän Willkommen zu bieten; und diesem war der Räuberkapitän bekannt, dieweil er an dieser Küste mit Morden und Brennen viel Schaden getan. Anderntags kam die Justiz an Bord, den Kapitän zu ersuchen, die Räuber in ihre Hände zu überstellen, was er auch tat, da er es nicht verweigern durfte. Weil sie aber nicht wagten, ihn in die Stadt zu bringen, fürchtend, er würde ihnen entwischen, was er oftmals getan hatte, ließen sie ihn an Bord und richteten des anderen Tags am Strande einen Galgen auf, ihn daran aufzuknüpfen. Da er aber gut Spanisch verstand, hörte er dies alles von den spanischen Matrosen erzählen, und begann deshalb etwas auszusinnen, sein Leben zu salvieren. Er nahm zwei Gefäße, in denen Wein gewesen, und stopfte sie mit Kork zu, so daß sie dicht hielten. Des Nachts, da sie allesamt schliefen außer dem Wächter, der neben ihm stand und auf ihn Acht haben sollte, wandte er allen Fleiß an, denselben zum Schlafen zu kriegen; weil der aber nicht wollte, resolvierte er, ihm die Kehle abzuschneiden, welches er denn tat, ohne daß der Wächter einen Laut von sich gab. Gleich darauf ließ er sich sachte mit seinen beiden Gefäßen ins Wasser fallen, schwamm mit ihrer Hilfe an Land und begab sich in den Busch, allwo er drei Tage verborgen blieb, ehe er einen Weg erwählte. Des anderen Tages in der Frühe wurden Soldaten längs der Küste dahin ausgeschickt, wo sie ihn vermuteten, doch war er listiger als sie, denn er beobachtete sie; und als sie wieder nach der Stadt zurückgekehrt waren, nahm er seinen Weg längs der Strandes nach einem Ort, genannt El Golfo de Triste (ungefähr dreißig Meilen von der Stadt Campeche). Dort kam er endlich nach Verlauf von vierzehn Tagen an, nicht ohne viel gelitten zu haben, sowohl Hunger und Durst wie Mühsal der Reise; denn er durfte den rechten Weg nicht nehmen, aus Furcht, den Spaniern in die Hände zu fallen. Vier ganze Tage arbeitete er sich auf Bäumen fort, ohne
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