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Piratenblut

Piratenblut

Titel: Piratenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernst Guben
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zurückhaltende junge Dame, die zwei Tische entfernt saß.
    Die vier Männer sprachen leise. Ein ungeschultes Ohr hätte in der Entfernung, in der das Mädchen saß, nichts vernommen als ein einziges Raunen.
    Ellen-Rose aber lauschte nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit den Augen. Sie hatte die Fähigkeit, den meisten Menschen wie eine Schwerhörige die Worte von den Lippen abzulesen. Auf diese Weise erfuhr sie alle wichtigen Einzelheiten. Und obwohl es für sie eigentlich hätte schreckniserregend sein müssen, war sie vollkommen ruhig und hielt auch nicht das Lächeln zurück, das von Zeit zu Zeit ihre Lippen umspielte. Ihre Blicke hafteten, unmerklich für den Beobachteten, auf Léon, und daher kam ihr Lächeln.
    Sieh an, dachte sie, er schickt mich auf Kundschaft, nur um mich zu beschäftigen und ohne jeden Sinn! Dennoch werde ich ihm genug erzählen, worüber sich die Herren dort unterhalten. Ich werde meine Fähigkeiten unter Beweis stellen.Ein Kellner kam und brachte eine Flasche Wein. Sie wartete nicht, sondern zahlte gleich. Aber so, daß es niemand von den Gästen bemerkte. Sie blieb noch eine Weile sitzen und erhob sich dann, um den blauen Salon zu verlassen. Sie ging in die Halle des Hotels und ließ sich dort in einem der tiefen, weichen Sessel nieder. Es währte nicht lange, dann kamen auch die vier Herren, die ihr Gespräch beendet zu haben schienen. Gerade wollten sie sich voneinander verabschieden, als zwei Männer in der Uniform der Reederei eintraten. Es waren de Witt und sein Erster. Noch einmal nahmen alle gemeinsam Platz.
    Ellen-Rose jedoch interessierte sich nun nicht mehr für ihre Gespräche; denn schließlich war er ja dabei. Die Probe ihres Könnens würde sie abgeben, und das sollte genügen.
    Eine Viertelstunde später stand Léon auf und verabschiedete sich.
    Ellen-Rose glaubte auch ihre Zeit gekommen und folgte Monsieur de Musset unauffällig. Draußen ging sie eine Weile hinter ihm her. Weit und breit machte sich kein Mensch bemerkbar. »Monsieur Dieuxdonné«, rief sie halblaut.
    Der vor ihr Gehende verhielt den Schritt mit einer Plötzlichkeit, als habe er diesen Anruf nicht erwartet. Er wandte sich langsam zu ihr um. Überraschung stand in seinem vom hellen Mond beschienenen Gesicht.
    »Madame? — — Meinen Sie mich?«
    »Wen sonst?« fragte sie dagegen. »Ich halte es nicht sehr fair von Euch, mich auf Spionage zu
schicken, wenn Ihr selbst dabei seid und so tut, als wolltet Ihr mit Euerm Gegner paktieren. Ich
habe alles gehört.«
Léon war starr vor Überraschung.
    »Ick sollt Sie 'aben geschickt auf Kundschaft? Ick — — ick? Wie kommen Sie auf diese kuriose Gedanke?«
    »Weshalb verstellt Ihr Eure Sprache? Weshalb sprecht Ihr jetzt ein so schauderhaftes Niederländisch? Was soll dieses Theater?«
    »Ick verstehe nix, Madame, ick verstehe nix, über'aupt gar nix. Wer seid Ihr?«

»Hört, Dieuxdonné, macht nicht ein solches Theater! Erst wolltet Ihr mich hängen lassen, dann gabt Ihr mir statt dessen diesen albernen Auftrag. Jetzt bin ich hier und, nachdem ich ihn ausgeführt habe, wollt Ihr mich nicht mehr kennen. Was soll das?«
    »Ick nix wissen, was das soll. Ick kennen diese Dieuxdonné nur wegen seine berühmte Namen. Ick nix mehr wollen wissen etwas davon. Sie ge'en nach 'ause und vergessen, was Sie sich 'aben eingebildet.«
    Ellen-Rose wurde jetzt ungemütlich. Was dachte sich dieser Kerl? Hatte er nichts anderes vor,
als nur mit ihr zu spielen?
Sie trat einen Schritt näher.
    »Kein Zweifel«, rief sie dann laut, »Ihr seid Dieuxdonné! Eine Verwechslung ist gar nicht möglich! Ich gehe nach Hause; aber da nach Euerm Willen mein Zuhause Euer schwarzrotes Schiff ist, können wir auch zusammen gehen.«
    Plötzlich lauschten sie angestrengt ins Dunkel. In der Ferne hörten sie immer leiser werdende, hastende Schritte.
    »Mon Dieux«, meinte Léon plötzlich, »was saggen Sie da von eine schwarzrote Schiff?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Seid Ihr verrückt, oder bin ich es? Ihr werdet wohl noch Euer eigenes Schiff
    kennen!«»Natürlich kenne ick meine Schiff. Meine Schiff sind nicht rot und schwarz. Es liegen
'ier ganz friedlich in die 'afen. Und ick werde jetzt ge'en auf meine Schiff. Und sag nix noch
einmal zu mir Dieuxdonné . . .«
Er drehte sich ganz plötzlich um und ging weiter.
    Ellen-Rose folgte ihm nicht mehr. Sie hatte wirklich Zweifel bekommen. So sehr konnte sich doch ein Mensch gar nicht verstellen!
    Sie wandte sich in entgegengesetzter Richtung,

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