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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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Personenwaage mit Netzwerkanschluss und Linux-Treiber suchen, dass auf der Speisekarte der Abgeordnetenhaus-Kantine mal wieder veganes Sojaragout steht oder die Armlehnen der neuen Stühle nicht unter die Tische passen. Aber was?
    Nach der umstrittenen Fraktionsklausur im Sommer hatte Parteichef Bernd Schlömer in einem Interview gemahnt, es gebe auch für die Berliner Piratenfraktion im Politikbetrieb eine »Präventivkraft des Nichtwissens«. Einige vertrauliche Gespräche müssten unbedingt geschützt werden. »Würden wir vollkommene Transparenz herstellen, würden unsere politischen und Moral- und Rechtssysteme zusammenbrechen.« Schwierig zu beurteilen, ob das eher als Eingeständnis gedacht war oder eine clevere Ausrede.
    Ich will nicht unfair sein. Schon jetzt verwenden viele Piraten eine ungeheure Energie darauf, transparent zu sein – oder zumindest zu erscheinen. Und viele ihrer Initiativen sind vorbildlich: Die meisten Abgeordneten der Berliner Piratenfraktion dröseln im Internet ausführlich und für jedermann zugänglich ihre Einkünfte auf. Einige stellen sogar den Einkommensteuerbescheid ins Netz, um ihre Redlichkeit zu belegen. Auf der Website des Abgeordneten Martin Delius findet sich inzwischen eine 276 Seiten lange Liste sämtlicher Veranstaltungseinladungen, die er als Parlamentarier erhalten hat, und obendrein die Information, welche davon er angenommen oder abgelehnt hat. Auch seine Lobbykontakte listet der 28-jährige Softwareentwickler minutiös auf. Ähnlich praktiziert es Fraktionschef Lauer.
    Ich frage mich nur manchmal, wann unsere Volksvertreter überhaupt inhaltlich arbeiten sollen, wenn sie ständig damit befasst sind, ihren Politikalltag zu protokollieren, in Blog-Beiträge zu gießen oder bei Twitter auszudiskutieren. Erwarten wir Basispiraten vielleicht alle längst viel zu viel von ihnen?
    Nach dem jüngsten Crew-Treffen im »Caminetto« wollte ich es genauer wissen. Ich schaute ins Piraten-»Wiki«, weil ich mir sicher war, dort ein paar halbwegs taugliche Leitlinien zu finden. Und tatsächlich, es gab sogar eine AG Transparenz, auf deren »Wiki«-Seite ich gleich zuoberst die Rubrik »Definition« entdeckte. Doch als ich den Link anklickte, stand dort nur ein einziges Wort: »folgt ...« und darunter ein weiterer Link zu einer Diskussionsseite. Auf der Diskussionsseite wiederum fand sich eine bunte Ideensammlung, die mich an Brainstorming-Runden bei Kirchentagen erinnerte. Sie begann mit assoziativen »Wort-Bedeutungs-Spielen« wie: »Transparenz ist nicht abgrenzbar, sondern lebendig, muss gelebt, gefordert, kontrolliert und immer wieder und wieder neu erdacht werden.« Oder: »Transparenz zeigt sich nur in Taten, nicht in Versprechen.« Oder: »Transparenz ist wie Liebe – nicht zu definieren.«
    Am liebsten hätte ich das Browserfenster sofort wieder geschlossen, las dann aber doch noch etwas weiter. Immerhin, weiter unten auf der Seite formulierte die AG einige wichtige Fragen: »Wie weit kann/muss Transparenz gehen?« Oder: »Welche Daten sind im Einzelnen schützenswert und unterliegen deshalb nicht dem Transparenzgesetz?« Nur eine brauchbare Antwort hatte die »Wiki«-Seite nicht zu bieten.
    Dafür entdeckte ich einen weiteren Link, der zu einer offiziellen Definition des Begriffs auf der Website der Piratenpartei führen sollte. Was ich dort vorfand, klang ziemlich überzeugend: Der Einblick in die Arbeit von Verwaltung und Politik sei ein »fundamentales Bürgerrecht« und müsse »zum Wohle der freiheitlichen Ordnung entsprechend garantiert, geschützt und durchgesetzt werden«. Außerdem sollten Verwaltung und Politik den Informationszugang für die Bürger »effizient, komfortabel und mit niedrigen Kosten« ermöglichen. Aber was stand denn da ganz oben im Seitenkopf? »Die Informationen auf dieser Seite sind lediglich archivierte Inhalte und höchstwahrscheinlich veraltet.« Na toll.
    Ich hatte fürs Erste genug von der Begriffsfindungsdebatte. Mit der »gelebten Transparenz« unter Piraten schien es wie mit der gelebten Demokratie oder der gelebten Nächstenliebe: Grundsätzlich sind stets alle dafür, nur weiß keiner wirklich, was gemeint ist. Vielleicht wäre es erhellender, mir statt der Theorie einfach mal die Praxis im Abgeordnetenhaus anzuschauen?
    Die gelebte Transparenz im Berliner Landesparlament beginnt an diesem Dienstagnachmittag mit sieben Minuten Verspätung und absolut unspektakulär. Andreas Baum, der zweite Fraktionschef neben Christopher

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