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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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des alten Weinkellers auf und ab. Die Kälte der frühen Morgenstunden kroch ihm allmählich in die Knochen, und die Absätze seiner Stiefel machten klickende Geräusche. Um die Echokammer herum hatte er elektrische Lampen aufgestellt – die einzige Lichtquelle. Die Säulen warfen lange, sich verjüngende Schatten, die sich in alle Richtungen erstreckten.
    Ich habe sie. Endlich habe ich sie. Und doch wage ich es nicht, sie einzuschalten.
    Er hatte Monate gebraucht, um sich die Echokammer zu beschaffen. Monate, in denen er um den grauhaarigen alten Mistkerl im großen Haus herumscharwenzelt war, ihn beschwatzt und angebettelt hatte. Monate, angefüllt mit sinnlosen Aufgaben und langweiligen Arbeiten. Und hatte diese innerlich verrottete Ratte nicht jeden Moment genossen! Hatte es dem Alten nicht große Freude bereitet, dabei zuzusehen, wie sein unfähiger zweiter Sohn nach seiner Pfeife tanzen musste! Er hatte es endlos in die Länge gezogen und sich an der Macht delektiert, die es ihm verlieh. Der Industriemagnat Rogibald Crake war ein Mann, dem es gefiel, wenn man ihm gehorchte.
    »Du müsstest nichts von alledem tun, wenn du einen anständigen
Job hättest«, hatte er gesagt. »Dann bräuchtest du mein Geld nicht.«
    Aber Grayther Crake brauchte das Geld seines Vaters. Und dies war Rogibalds Art, ihn dafür zu bestrafen, dass er sich gegen die ihm zugedachte Laufbahn entschieden hatte. Grayther war von der Universität gekommen, ausgebildet in den Künsten der Politik, und hatte prompt erklärt, dass er kein Politiker werden wollte. Das hatte Rogibald ihm nie verziehen. Er konnte weder verstehen, weshalb sein Sohn eine wenig reizvolle Stellung in einer Advokatenkanzlei annahm, noch warum er über drei Jahre brauchte, um »herauszufinden, was er mit seinem Leben anfangen wollte«.
    Aber was Rogibald nicht wusste, was niemand wusste, war, dass Grayther es schon längst herausgefunden hatte. Schon in seiner Zeit an der Universität, als er den Dämonismus entdeckt hatte. Danach wurde alles andere unwichtig und bedeutungslos. Was interessierte ihn die spießige, korrupte Welt der Politik, wenn er Abmachungen mit Wesen eingehen konnte, die nicht einmal von dieser Welt waren? Das war Macht.
    Aber der Dämonismus war eine teure und zeitaufwendige Beschäftigung. Man kam nur schwer an die Materialien heran. Bücher waren selten und wertvoll. Alles musste im Geheimen geschehen. Jede Nacht musste man stundenlang studieren und experimentieren, und ein Sanktum benötigte viel Raum. Er schaffte es einfach nicht, die Anforderungen eines richtigen Berufs zu erfüllen, während er seinen Dämonismusstudien nachging; andererseits konnte er jedoch die Dinge, die er benötigte, vom Gehalt eines Advokatengehilfen nicht bezahlen.
    Folglich blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Vater um Unterstützung zu bitten. Er gab vor, er sei ein begeisterter
Erfinder, und erklärte, er studiere die Naturwissenschaften und brauche dazu eine Ausrüstung. Rogibald fand, dass er sich lächerlich machte, war aber eher belustigt von der ganzen Angelegenheit. Er war gern bereit, seinem Sohn die Möglichkeit zu geben, sich sein eigenes Grab zu schaufeln. Zweifellos wartete er darauf, dass Grayther erkannte, wie sehr er seine Zeit vertrödelte, und zu ihm zurückgekrochen kam. Sein Eingeständnis, dass er ein Versager war, dass Rogibald die ganze Zeit Recht gehabt hatte – das wäre der süßeste Lohn. Also finanzierte er seinem Sohn das »Hobby« und wartete ungeduldig darauf, dass er damit scheiterte.
    Da Grayther sich keine Unterkunft leisten konnte, die für seine Bedürfnisse groß genug war, erlaubte ihm sein Vater, in einem Haus auf dem Familienanwesen zu wohnen, das er sich mit seinem älteren Bruder Condred und dessen Frau und Tochter teilte. Es war ein Schachzug, der ihn demütigen sollte. Die Brüder verachteten einander zutiefst.
    Condred, der Lieblingssohn, war seinem Vater ins Familienunternehmen gefolgt. Er war ein spießiger, pingeliger junger Mann, der den Wünschen seines Vaters stets nachkam und sich immer auf dessen Seite stellte. Er empfand nichts als Verachtung für seinen jüngeren Bruder, den er als Nichtstuer betrachtete.
    »Ich nehme ihn unter meinem Dach auf, wenn du mich darum bittest, Vater«, sagte er in Graythers Gegenwart. »Wenn auch nur, um ihm zu zeigen, wie eine ehrbare Familie lebt. Vielleicht kann ich ihm ein wenig Verantwortungsgefühl beibringen.«
    Condreds scheinheilige Wohltätigkeit hatte ihn damals

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