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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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sie immer die Flucht ergreifen. Jetzt war es wieder so weit.
    Wozu in einer Welt bleiben, in der du nicht erwünscht bist?
    Jeden Tag fiel es ihr ein bisschen schwerer, dem Ruf des Fliegenden Gewölks zu widerstehen. Jeden Tag bröckelte ihre Willenskraft ein wenig mehr. Blieb sie nicht nur aus reiner Sturheit bei Menschen, die sie töten würden, wenn sie merkten, was sie war? Flog sie nicht nur aus schlichter Angst nicht nach Norden, wo man ihre Abwesenheit beklagte, wohin sie gehörte? Wie das ferne Geheul eines Wolfsrudels wühlten ihre Rufe sie auf, und sie sehnte sich danach, zu ihnen zu gehen.
    Was hindert dich daran, Jez? Was hindert dich daran?
    Ja, was eigentlich? Wohin konnte sie sonst von hier aus fliegen? Bildete sie sich etwa ein, mit der Ketty Jay irgendeine tollkühne Rettungsaktion durchführen zu können? Nein, das wäre Selbstmord. Sie kam nicht einmal besonders gut mit ihr zurecht. Sie würde lange brauchen, um sich an die vielen Launen eines derart zusammengeschusterten Schiffes zu gewöhnen. Und selbst wenn sie Frey und die anderen irgendwie rettete, was dann? Wie würde sie erklären, auf welche Weise sie Drackens Mann davon überzeugt hatte, dass sie tot war?
    Es war so wie jedes Mal zuvor, bei all den anderen Crews. Die Kleinigkeiten summierten sich: ihr fantastisches Sehvermögen; dass sie nie Schlaf oder Nahrung zu brauchen schien; wie Tiere auf sie reagierten; die unheimliche Heilung nach ihrer Schussverletzung in Scarwater; die Tatsache, dass die Dämpfe in Rooks Friedhof ihr nichts hatten anhaben können.

    Und nun war da auch noch diese neue Fähigkeit, überzeugend eine Leiche zu spielen. Beim ersten Mal hatte nur Crake es gesehen, und er hatte kein Wort gesagt. Es hätte als Irrtum eines Shacklemore-Mannes durchgehen können. Aber zweimal?
    Jetzt würden die argwöhnischen Blicke anfangen. Sie würde jenen wachsamen, misstrauischen Ton in ihren Stimmen hören. Selbst auf der Ketty Jay, wo die Vergangenheit eines Menschen keine Rolle spielte, würden Fragen gestellt werden. Sie konnten einen Dämonisten akzeptieren, aber konnten sie auch Jez akzeptieren? Wie lange würde es dauern, bis Malvery darauf bestand, sie einmal gründlich zu untersuchen, um das Rätsel zu lösen? Wie lange, bis sie ihr auf die Schliche kamen?
    Dass Fredger Cordwain geglaubt hatte, sie hätte keinen Pulsschlag, lag daran, dass sie keinen Pulsschlag hatte.
    Dass Drackens Mann geglaubt hatte, sie wäre tot, lag daran, dass sie tot war.
     
    Es war vor drei Jahren geschehen.
    Jez hatte zum ersten Mal etwas von dem Angriff bemerkt, als sie die Explosion hörte. Es war ein dumpfes, gedämpftes Donnern, das den Boden erbeben ließ und die Suppe verschüttete, die sie gerade aß, so dass sie sich die Finger verbrühte. Eine zweite Explosion ließ sie in aller Eile nach ihrem dicken Pelzmantel greifen. Sie zog die Kapuze über, setzte Schutzmaske und Schutzbrille auf, stieg aus der Wärme der Schenke ein paar Stufen hoch und trat in den Schneesturm hinaus.
    Sie kam auf der Hauptstraße der winzigen, abgelegenen Stadt in Yortland heraus, die seit einem Monat ihr Zuhause war. Die Wohnbauten zu beiden Seiten waren niedrige,
kaum sichtbare Kuppeln mit größtenteils unterirdischen Räumen. Das Licht aus den kleinen Fenstern und der Rauch aus ihren Kaminen bahnten sich ihren Weg durch den wirbelnden Schnee.
    Andere waren bereits draußen: einige einheimische Yorts, aber auch etliche der vardischen Wissenschaftler, die auf dem Ausgrabungsgelände in der Nähe arbeiteten und hier stationiert waren. Aller Augen waren auf die leuchtend helle Feuerblume gerichtet, die auf der anderen Seite der Stadt emporstieg. Vom Landeplatz.
    Jez’ erster Gedanke war, dass es einen schrecklichen Unfall gegeben hatte, einen tragischen Riss der Treibstoffleitungen. Noch bevor sie sich fragte, wie viele Menschenleben das Unglück gefordert haben mochte, rutschte ihr das Herz bei dem Gedanken in die Hose, dass sie nun hier gestrandet war. Die Luftfahrzeuge waren ihre einzige Verbindung mit dem Rest der Welt. Hier an der Nordspitze von Yortland gab es nur vereinzelte, schwer auffindbare Elemente der Zivilisation. Dies war die einzige Siedlung im Umkreis von hundert Kloms.
    Sie spürte eine behandschuhte Hand auf ihrem Oberarm und drehte sich um. Sie wusste, dass es Riss war, der Pilot der Expedition, obwohl sein Gesicht unter der Kapuze mit Pelzbesatz hinter einer Maske und einer Schutzbrille verborgen war. Niemand sonst berührte sie auf diese

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