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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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Schiff zu bemannen.
    Riss hockte sich vor sie hin. »Der Mann im Schneetraktor ist tot«, sagte er und hob das Entermesser. »Ich habe das hier besorgt.«
    »Was ist mit einer Schusswaffe? Brauchen wir keine Schusswaffe?«
    Er wackelte mit den Fingern in seinem dicken Handschuh. Anders als bei den Anzügen der Yorts spielte der Aspekt der Beweglichkeit bei der Kleidung der Wissenschaftler keine große Rolle; es ging in erster Linie um Wärme. Die Handschuhe waren so klobig, dass man den Zeigefinger in keinen Abzugsbügel hineinbekam, aber ohne sie würde die Haut am Metall festfrieren.
    Sie entfernten sich durch die Lücken zwischen den dicht an dicht stehenden Yort-Behausungen von der Straße. Der Schnee hatte sich hier zu Wächten gesammelt, und sie arbeiteten sich mit einiger Mühe voran, aber zumindest gewährten die Bauten ihnen Sichtschutz. Jez folgte Riss; sie überließ es ihm, ihr einen Weg zu bahnen. Ihr Atem fing sich im Innern ihrer Maske und klang ihr laut in den Ohren. Die Kapuze mit Pelzbesatz nahm ihr die Sicht zu den Seiten und zwang sie, sich alle paar Schritte umzudrehen und nach hinten zu schauen. Sie hatte Angst, dass etwas ihrer Spur durch den Schnee folgte und sich an sie heranschlich.
    Tatsächlich schlich sich etwas an sie heran; doch als der Angriff erfolgte, kam er von oben.
    Jez sah es kaum. Es war eine undeutliche Bewegung im verwirrenden Flockenwirbel des Schneesturms. Riss reagierte mit einem Aufschrei, bevor er zur Seite geschleudert wurde und in die Wand eines Gebäudes krachte. An seiner Stelle, direkt vor ihr, stand ein Mane. Es war das erste und
letzte Mal, dass sie eines dieser Wesen so deutlich zu sehen bekam, und bei dem Anblick blieb sie vor Angst wie angewurzelt stehen.
    In den Geschichten hieß es, die Manen seien früher einmal Menschen gewesen, und sie waren vom Körperbau und vom Gesicht her auch noch als solche zu erkennen. Aber sie waren in etwas anderes verwandelt worden, dem die menschliche Gestalt irgendwie unbequem zu sein schien, eine äußere Haut für das, was sich darunter verbarg.
    Die Kreatur vor ihr war hager und knochig. Sie trug ein zerrissenes Hemd, eine zerlumpte Hose und keine Schuhe. Strähniges schwarzes Haar klebte auf einer bleichen, runzligen Stirn. Ihre Züge waren auf unnatürliche Weise verzerrt. Gekräuselte Lippen entblößten spitze, schiefe Zähne. Sie starrte Jez mit Augen im Gelb und Rot von blutigem Eiter an. Ihre Fingernägel waren lang, schmutzig und schrundig, und sie stand in der geduckten Haltung eines sprungbereiten Raubtiers vor ihr.
    Was Jez lähmte, war nicht das, was sie sah, sondern was sie spürte: das intuitive Wissen, dass sie einem Geschöpf gegenüberstand, das nicht von dieser Welt war, einem Geschöpf, das alle Gesetze brach und alle Gewissheiten des Wissens von tausend Generationen zerstörte. Ihr Körper spürte es und rebellierte.
    Dann sprang das Wesen sie an und stieß sie in eine Schneewehe.
    Sie erinnerte sich nur noch an wenig von dem, was anschließend geschah. Es schien keinen Sinn zu ergeben, als sie es sich später ins Gedächtnis rief. Der Mane drückte sie an den Schultern zu Boden und starrte ihr in die Augen. Sie konnte den Blick nicht abwenden, als wäre sie eine Maus, die von einer Schlange hypnotisiert wurde. Sie konnte seinen
Gestank riechen, einen toten Geruch wie von feuchtem Kompost. Ihr Atem wurde zu einem flachen Keuchen.
    Sie hatte das Gefühl, vom Gewicht des Willens der Kreatur zerquetscht, von der Kraft ihres Blicks niedergedrückt zu werden. Als sie merkte, dass ihr etwas angetan wurde, war es zu spät, um dagegen Widerstand zu leisten. Sie versuchte, sich dem Eindringling mit ihren Gedanken zu widersetzen, konnte sich aber nicht konzentrieren. Sie verlor sich.
    Dann bemerkte sie, wie sich ihre gesamte Umgebung veränderte. Der Schneesturm verebbte, wurde geisterhaft und kraftlos. Die Welt war dunkler und schärfer zugleich. Sie konnte Einzelheiten erkennen, wo es vorher keine gegeben hatte: das feine Zickzackmuster der Falten in der Gesichtshaut des Manen; die schockierende Komplexität seiner fedrigen Regenbogenhäute.
    Ein Wispern war in der Luft, ein fortwährendes Zischen halb ausgesprochener Worte. Bewegung überall um sie herum. Sie erkannte die Bewegung der Manen, die in der Stadt umherschlichen. Sie konnte sie fühlen. Sie war ein Teil dieser Bewegung. Und als sie tiefer und tiefer in Trance sank, spürte sie die Wärme dieser Verbindung. Ein noch nie erlebtes Gefühl der

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