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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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Zugehörigkeit hüllte sie ein. Es war schön, giftig, süß und entsetzlich zugleich.
    Sie hatte sich ihm beinahe schon ergeben, als sie abrupt in die Realität zurückgeholt wurde.
    Es dauerte einen Moment, bis ihre Sinne mit der Veränderung zurechtkamen. Sie wurde von einem gesichtslosen Mann in einem Pelzmantel mit Kapuze auf die Beine gezogen. Ihre erste Reaktion bestand im Versuch, sich loszureißen, aber er hielt sie fest und sagte etwas zu ihr. Als sie nicht reagierte, wiederholte er es, und diesmal kamen die Worte durch.

    »… – les in Ordnung? Jez? Jez?«
    Sie nickte rasch, weil sie wollte, dass er den Mund hielt. Er machte ihr Angst mit seinen eindringlichen Fragen. Der Mane lag am Boden und schlug kreischend um sich. Ein Entermesser war in seinem Halsansatz begraben, bis hin zum Schlüsselbein; es trennte ihm halb den Kopf ab. Blut war kaum zu sehen, nur eine saubere Wunde, die den Blick auf Knochen freigab.
    Aber es war noch nicht zu Ende. Der Mane bewegte sich mit ruckartigen, krampfhaften Bewegungen, zog die Beine unter den Leib und versuchte aufzustehen. Riss fluchte und trat ihm ins Gesicht, so dass er der Länge nach zu Boden stürzte. Er riss das Entermesser heraus und enthauptete ihn mit einem zweiten Hieb.
    Riss wandte sich von der Leiche des Manen ab und schaute zu ihr hoch. Er streckte ihr die Hand hin: Komm mit mir.
    Etwas zerriss in ihrem Innern. Der aufgestaute Horror und Schock des Angriffs brach sich Bahn. Sie verlor den Kopf und floh.
    Sie rannte durch die Gänge zwischen den Häusern, in den Schneesturm hinaus. Die Windböen stießen und schlugen auf sie ein. Schnee blieb an ihrer Schutzbrille kleben. Sie hörte, wie Riss ihren Namen rief, aber sie beachtete ihn nicht. Irgendwann merkte sie, dass sie keine Häuser mehr sehen konnte, sondern nur noch endlosen, konturlosen Schnee. Sie rannte weiter, getrieben vom Schrecken dessen, was hinter ihr lag.
    Erst als sie vor Erschöpfung auf die Knie sank, hielt sie inne. Sie hatte sich gründlich verirrt, und alle Spuren, die sie hinterlassen hatte, wurden von der Wut des Schnees ausgelöscht. Sie wagte es nicht, umzukehren, aber weiter konnte sie auch nicht. Die Kälte, die sie während ihrer Flucht kaum
wahrgenommen hatte, setzte sich tief in ihr fest. Sie begann heftig zu zittern. Eine Müdigkeit übermannte sie, ebenso heimtückisch und unaufhaltsam wie die Macht der Manen.
    Sie rollte sich zusammen wie ein Embryo im Mutterleib, und dort, begraben im Schnee, starb sie.
     
    Seither hatte Jez sich täglich gefragt, was wohl geschehen wäre, wenn die Dinge einen anderen Verlauf genommen hätten. Wenn Riss sie nicht gerettet hätte. Wenn sie sich dem Manen ergeben hätte.
    Wäre es letztendlich so schlimm gewesen? In jenem kurzen Moment, als sie mit der Welt der Manen in Berührung gekommen war, hatte sie etwas Wunderbares gespürt. Eine Einbindung, eine Gemeinsamkeit, die über alles hinausging und jenseits von allem lag, was ihr menschliches Leben ihr gegeben hatte.
    Sie hatte nie ein Kind unter dem Herzen getragen, war nie verliebt gewesen. Sie hatte immer davon geträumt, Freunde zu haben, die sie als Seelenverwandte bezeichnen konnte, aber irgendwie war es nie dazu gekommen. Sie interessierte sich einfach nicht genug für andere Menschen, und diese machten sich ihrerseits nicht genug aus ihr. Alles in allem hatte sie sich selbst stets für ziemlich kühl und distanziert gehalten.
    Darum fiel es ihr immer schwerer, Gründe für ihren Widerstand zu finden, wenn sie den Ruf der Manen vernahm, die urtümliche Einladung des Wolfsrudels, das die Abwesenheit einer der Ihren beklagte.
    Ja, sie töteten; aber das hatte sie selbst jetzt auch getan. Ja, sie waren furchterregend; aber ein furchterregendes Äußeres war kein Indiz für das, was darunter lag. Man brauchte nur Bess’ Geheimnis zu kennen, um das zu verstehen.

    Wäre der Vorgang nur halb so beängstigend gewesen, wenn man sie eingeladen statt zwangsrekrutiert hätte? Wäre sie vielleicht freiwillig gegangen, wenn auch bloß, um zu erfahren, was jenseits dieser undurchdringlichen Nebelwand im Norden lag? Verbargen sich unglaubliche Länder hinter dem Fliegenden Gewölk, glitzernde Eispaläste an den Polen, wie es die reißerischeren Schundromane behaupteten? War es ein wilder Ort, wie Kurg mit seiner Bevölkerung menschenähnlicher Monster? Oder gab es dort eine fremdartige und höher entwickelte Zivilisation wie in Peleshar, dem fernen, feindseligen Land tief im Südwesten?
    Was

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