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Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)

Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)

Titel: Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Kowalski
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nicht ewig Zeit.”
    Ich war sprachlos, mein Gehirn war gelähmt. Hier stand ich, wurde von Monty, dem Freak, in den Überfall auf eine Fleischtheke verstrickt und sah untätig zu. Schließlich aber kehrten meine mentalen Funktionen zögernd zurück, auch wenn sie das, was sie registrierten, nicht wahrhaben wollten.
    „Nichts für ungut, Monty!”, versuchte ich es. „Man kann Banken überfallen oder Tankstellen. Man kann Kioske und Geldtransporter überfallen. Aber welcher geisteskranke Idiot ist dermaßen blöd, dass er die FLEISCHTHEKE EINES SUPERMARKTES AUSRAUBT?”
    „Schrei nicht rum, Peevee, es ist Zeit, an den Abflug zu denken”, erwiderte er gelassen, schwang sich erneut über die Theke und schnappte sich den Wagen. „Was ist? Komm in die Gänge! Oder willst du für ein paar Pfund Fleisch in den Knast?”
    Er lief in Richtung Kasse davon und zielte mit der Waffe auf die Kunden, die in Panik auf die Seite sprangen, und zwar mit solcher Wucht, dass sie gegen die Regalwände stießen, aus denen die Waren herausfielen, um polternd und klirrend auf dem Boden zu landen. Wie betäubt stolperte ich Monty hinterher und murmelte immer wieder: „Scheiße, das darf einfach nicht wahr sein! Der Typ ist verrückt, Scheiße! Scheiße, das darf wirklich nicht wahr sein!”
    An der Kasse wartete er bereits auf mich und machte eine ungeduldige Geste.
    „Bitte entschuldigen Sie mein ungehobeltes Benehmen”, sprach er die verängstigte Kassiererin an, die beim Anblick der großkalibrigen Waffe in ein stilles Schluchzen ausgebrochen war. „Aber leider habe ich weder Kreditkarte noch Bargeld bei mir. Deshalb bin ich gezwungen, das Fleisch hier zu stehlen. Das hinter mir ist übrigens mein Kompagnon Peevee. Er hatte die Idee zu dem Ganzen. Ich bin nur das ausführende Organ. Er ist der Kopf.”
    Die Kassiererin blickte mich an, und ich betete, dass sie viel zu sehr unter Schock stand, als dass sie sich mein Gesicht würde einprägen können. Monty schien wieder einmal meine Gedanken zu lesen, denn er sagte: „Mach dir nichts vor! In diesem Supermarkt sind mehr als vierzehn Kameras versteckt. Dein Gesicht ist längst auf Band aufgenommen. Wer weiß – vielleicht wirst du ja für Hollywood entdeckt.”
    Er stob mit dem Einkaufswagen, in dem sich ein kläglicher Haufen roten, rohen Fleisches befand, in Richtung Ausgang davon, wobei er stolperte und seine Pump-Gun verlor. Scheppernd krachte sie zu Boden. Fieberhaft dachte ich nach, aber es war ein ungünstiger Zeitpunkt, in komplizierten Gedanken zu baden und abzuwägen, ob es gescheiter war, mit Monty zu fliehen oder die Arme hochzureißen und sich dem Personal des Supermarktes zu stellen. Monty kehrte zurück und fasste mich ganz einfach am Arm.
    Draußen stand mit laufendem Motor sein Wagen, noch immer den ›Jesus liebt Dich‹-Aufkleber an der hinteren Scheibe. Seelenruhig öffnete Monty den Kofferraum, warf das rohe, unverpackte Fleisch hinein, schloss ihn und sprang in das Auto. Ich wartete darauf, Polizeisirenen zu hören, aber alles blieb still. Niemand folgte uns, niemand richtete eine Waffe auf uns, niemand schrie um Hilfe. Möglich, ich leide unter Halluzinationen, sagte ich mir, aber Monty, der schon in den Wagen gesprungen war, rammte mir die Beifahrertür in den Bauch, und ich musste mir eingestehen, dass die ganze Scheiße tatsächlich geschah. Ich war so gut wie erledigt. Kein Staatsanwalt oder Richter würde mir glauben, dass ich nur zufällig in die Sache reingerutscht war. Sie würden mich zwar nicht ins Gefängnis, aber mit Sicherheit in die Klapsmühle stecken. Monty fuhr an, raste quer über den Gehweg, und ich lehnte mich in der sicheren Gewissheit zurück, dass mein Leben für alle Zeiten verwirkt war. Gegen mich war selbst Hiob ein Glückspilz.
     
     
     
     
     

****
     
    Friederike Seißler brachte einen gesunden Jungen zur Welt, ein Kriegskind, das ohne Vater heranwachsen würde. Noch war der Krieg ein Gespenst, das sich nicht zeigte. Er fand in der Wochenschau und im Radio statt, wo es unaufhörlich von den Siegen der deutschen Wehrmacht widerhallte. In Pribbernow ging alles den gewohnten Gang. Friederike versorgte den elterlichen Haushalt, bestellte den Garten und dachte mit Wehmut an ihre Arbeit im Greifswalder Krankenhaus zurück. Abends in ihrem Bett zerriss ihr die Trauer um Peter Härtner die Brust, dessen junges Leben so unvermittelt ausgelöscht worden war. Noch wusste sie nicht, dass ihr das Schlimmste erst noch bevorstehen sollte.

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