Pixity - Stadt der Unsichtbaren
, wo auch immer, glühende Wangen, also heftiger Alkoholkonsum, Blicke wie Pornoclips. Episoden aus der Studentenzeit, leicht zu erkennen an Alinas bunter Kostümierung, nichts mehr davon hing in ihrem Kleiderschrank. Die Haare zerzaust, Spaghettitop, Nippelalarm, ein nackter Arm um eine nackte Schulter, die kannte er doch, das war Gorlands Schwester, sah zehn Jahre jünger aus als heute, richtig flott. Ihr Blick in Alinas Schoß gebohrt.
Bentner war es nicht gewohnt, dass ein Handy in seiner Jackentasche wie ein altes Telefon bimmelte und erschrak, als es das jetzt tat.
»Wo bist du?«
Lisas Stimme auf einem fadenscheinigen Teppich aus Murmeln, Lachen und Geschirrklappern.
»In Alinas Wohnung.«
»Dachte ich mir. Sitze gerade mit meinem Lap in der Cafeteria, mampf ein Wurstbrötchen. Mensaessen ist heute Mensafraß. Und?«
»chillerkiller. Erzähl ich dir heute Abend genauer.«
»Heute Abend bekomme ich Besuch. Weiberabend.«
»Okay«, sagte Bentner und betrachtete ein Foto, das im Taco’s aufgenommen worden war. Alina auch dort in Gesellschaft fröhlicher Mädchen, alle lachten, als würden sie dafür bezahlt, was sehr gut sein konnte, im Vordergrund eine unscharfe Silhouette von Gläsern und Flaschen wie die Skyline einer deutschen Mittelstadt.
»Okay«, sagte auch Lisa. Sie kaute hörbar an ihrem Brötchen. »Sei vorsichtig und bleib nicht zu lange.«
Bentner versprach es.
Alina wurde immer jünger. Ein rotes Ballkleid, aus dem ihre Beine wie Knotenstöcke herauskamen, sie war mager und drehte ihre zu dicken Knie nach innen, als würden sie so unsichtbar werden. Ein Mädchen, das gerade das Abitur geschafft hatte, ein weiteres Bild im roten Kleid, Alina am Rande einer Gruppe festlicher Mädchen und Jungs, letztere von ihren Krawatten schier
stranguliert, rote Köpfe, Schweiß im Gesicht, als wären es glänzende Seen. Alina tanzt mit einem hüftsteifen Jüngling. Sie war wirklich mager, jetzt sah man es genau. Der Abistress, dachte Bentner, genau, kannte er doch auch. Aber sie hatten auf den Abschlussball verzichtet, aus Protest gegen den Lehrkörper, wie sie diese kriminelle Vereinigung zu nennen pflegten.
Alina sitzt brav in der Schulbank, rechts von ihr eine Hälfte Klassenkameradin, vom ungeübten Fotografen gnadenlos beschnitten. Alina lacht in die Kamera, jemand kauert wohl zu ihren Füßen und kitzelt sie an den Zehen. Die Frisur soll Punk sein, kurz und vollgegelt, glänzend schwarz gefärbt, ein paar widerspenstige Büschel extra eingesprayt.
Ein Klassenfoto, Alina mit 15 oder 16, sie steht in der zweiten Reihe Mitte, ein hübsches Mädchen, das nicht auffällt, weil es etliche hübsche Mädchen auf dem Bild gibt. Sie schaut misstrauisch. Als glaube sie nicht, dass dieses Bild nichts weiter ist als eben ein Klassenfoto, etwas fürs Album, etwas für die Kinder, etwas für die unvermeidlichen Klassentreffen.
Eine private Feier. Alina, höchstens 14 und sichtlich ermüdet, genervt an einem festlich gedeckten Tisch, einer Hochzeit vielleicht. Rechts von ihr sitzt die Braut, schon älter, an die 40, sie gleicht Alina, sie gleicht noch mehr der Frau, deren Kopf auf die nackten Körper montiert worden ist, 15 oder 20 Jahre später. Sie trägt tatsächlich ein Kleid in jungfräulichem Weiß, vor ihr auf dem Tisch, zwischen einem Sektglas und einem mit rosa Schmiere verunglimpften Dessertteller, liegt der Brautstrauß aus gelben und roten Rosen.
Links von Alina der Bräutigam, eine Blume im Knopfloch. Sie ist von ihm abgerückt, einem trübe aus der Wäsche in die Linse blickenden Kerl zwischen 40 und 50, mit Augen, in die du besser nicht hineinschaust, weil du in diesem Meer aus Nichts und Wiedernichts zu verschwinden drohst.
Alina mit 12. Es ist ihr Geburtstag, Bentner hatte die Kerzen auf der Torte gezählt, bis auf eine ausgeblasen, die Anstrengung steht Alina noch im Gesicht, das verzerrt ist und enttäuscht, denn eine Flamme hat überlebt. Wieder ist sie von der Frau auf dem Hochzeitsbild flankiert. Diesmal trägt sie Zivil, eine weiße Bluse, in der sich erhebliche Brüste in einem schwarzen BH den Anschein von Festigkeit geben. Wieder links ein Mann, aber nicht der Bräutigam, aber auch von jener dümmlichen Überheblichkeit. Er lächelt, er blickt aus den Augenwinkeln zum Geburtstagskind, ein Blick, der Bentner nicht gefiel.
Er stand auf, ging ans Fenster, brauchte eine Zigarette. Der Wind war mäßig und wehte aus der richtigen Richtung, drückte den Rauch nicht in die Wohnung
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