Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
Abteilung war dank der sich anbahnenden Grippewelle unterbesetzt und daher ohnehin gut ausgelastet. Sie hoffte allerdings auf die Wirksamkeit der internen ›Prominentenklausel‹, die vorsah, dass Verbrechensopfer, die als Künstler, Wirtschaftskapitäne oder Politiker in der Öffentlichkeit standen, dem Landeskriminalamt zu melden waren. Dieses entschied dann, den Fall zu übernehmen oder auch nicht.
Im LKA Wien kannte die Döblinger Oberinspektorin einen der leitenden Herren besonders gut, nämlich ihren Helmut. Das war Chefinspektor Helmut Wallner, und den rief sie auch an.
Und so kam es, dass sich Hans Hermann Prodinger etwas später sehr wundern musste, als sich zwei eher hochrangige Kriminalbeamte am Fundort der Leiche mit einem intensiven Kuss begrüßten.
Der alte Hundeführer, der sich ziemlich sicher war, dass da auch die Zunge mit im Spiel gewesen war, fand das irgendwie unpassend. Im Dienst, hier im Wald und neben der Leiche. Also wirklich, das tat man einfach nicht. Auch wenn die beiden Beamten verschiedenen Geschlechts waren.
Zu seiner Zeit hätte es das sicher nicht gegeben. Aber leider war es nicht mehr seine Zeit, auch wenn es im Moment fast ein wenig anders aussah. »Gell, Vickerl.«
*
Als Erstes hatte Mario Palinski Dr. Herwig Griesbach von den Fingerabdrücken Lorenzos auf dem in seinem Jackenfutter gefundenen Fläschchen berichtet. Grissly hatte das aber vorhergesehen und auch eine Erklärung dafür. »Herr Bertollini hat sich erinnert, dass ihn Frau Marika Sanders in der Küche gebeten hat, ihm das Fläschchen zu reichen, das hinter ihm auf einem Wandregal stand«, berichtete er. »Das war, während Lorenzo das Glas Wein getrunken und auf sein Geld gewartet hat.«
Die Bitte sei ebenso wie ihre Erfüllung so völlig beiläufig erfolgt, dass sich sein Mandant zunächst nicht daran hatte erinnern können. Das Fläschchen musste ihm später von Marika in die Jacke gesteckt worden sein, durch ein Loch in der Jackentasche direkt hinein in den gefütterten Bereich.
»Nicht dumm«, anerkannte Grissly, »denn so sieht das aus, als ob es bewusst versteckt worden wäre. Ich habe mir aber das Loch in der Jackentasche näher angesehen. Das ist keine geplatzte Naht oder ein durchgescheuerter Stoff, sondern eindeutig ein Schnitt. Jemand hat ein Loch in den Taschenboden geschnitten. Ich habe schon beantragt, dass die Jacke nochmals speziell darauf untersucht werden soll.«
»Ich werde Oberinspektorin Wallner darauf hinweisen und sie bitten, das von sich aus zu veranlassen«, bot Palinski an. »Dann geht das viel schneller, als wenn du es erst über das Gericht beantragen musst.«
Griesbach nickte zustimmend. »Übrigens wissen die noch immer nicht, was eigentlich in dem Fläschchen ist beziehungsweise womit man Sanders vergiftet hat. Professor Hornbuch von der Gerichtsmedizin ist ein Freund meines Vaters. Und ein alter Fuchs. Wenn der einmal ratlos ist, dann hat das etwas zu bedeuten. In dem Fall ist er ratlos, weil es bisher nicht gelungen ist, diese Substanz zu identifizieren. Man weiß einfach noch nicht, womit Sanders vergiftet worden ist.« Er lachte bitter. »Na, uns könnte es nur recht sein, wenn dabei überhaupt nichts herauskäme. Dann gäbe es nämlich keine Tatwaffe und damit auch keinen Mord.« Er grinste. »Zumindest könnte man so argumentieren.«
Während Grisslys letzter Worte war eine seiner Anwaltsgehilfinnen zu ihm getreten und hatte ihm etwas ins Ohr geflüstert. Plötzlich kehrte gespannte Aufmerksamkeit in das etwas müde wirkende Gesicht des Anwaltes zurück und er bedeutete Palinski, den kleinen, hinter ihm stehenden Fernsehapparat anzuschalten.
Es war die Ankündigung einer Sondernachrichtensendung gewesen, auf die Griesbach von seiner Mitarbeiterin aufmerksam gemacht worden war. Und diese begann jetzt eben im TV.
Der Anlass dafür war wirklich außergewöhnlich: Das erste Mal in den mehr als 60 Jahren der Zweiten Republik war in Österreich während eines Wahlkampfes der Kandidat einer wahlwerbenden Partei ermordet worden.
Ob es sich dabei um eine politisch motivierte Straftat handelte, konnte die Polizei derzeit nicht sagen. Angesichts der notorisch exponierten Position des Opfers wollte man das aber auch nicht ausschließen.
Dem bisher sehr schmutzig geführten Wahlkampf stand hinsichtlich Schärfe und Intensität eine neuerliche, ungeahnte Zunahme, ja, ein Quantensprung bevor.
Es war bloß zu hoffen, dass sich die maßgeblichen Kräfte in den
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