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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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freiwillig versichert. Unter »Obamacare« sollen bis Ende 2019, wenn das Gesetz alle Hürden nimmt, 94 Prozent aller Menschen in Amerika, darunter auch ein Großteil der illegalen Einwanderer, krankenversichert sein. Das ist immer noch keine generelle Krankenversicherung, aber ein guter Schritt dahin.
    Auch bei »Obamacare« bleibt die Krankenversicherung freiwillig, wer aber weiterhin nicht versichert ist, erleidet steuerliche Nachteile. Das empfinden viele US -Bürger als Zwang. Klar, dass sie das nicht hinnehmen wollen (und ich freue mich jetzt schon auf den spannenden Streit vor dem Obersten Gerichtshof). Es sei schlimm genug, dass der Staat so viel Geld in die freiwilligen Gesundheitsprogramme »Medicare« und »Medicaid« stecke, jetzt wolle dieser Kommunist, dieser Hitler, dieser Diktator, die Krankenversicherung gar zur gesetzlichen Pflicht machen, schimpfen sie. Das ist doch Machtmissbrauch, das ist Unfreiheit – mein Gott, das ist wie in Deutschland!
    Als meine Eltern älter wurden, stellten sie eine Krankenpflegerin ein, die zeitweise bei ihnen zu Hause lebte. Weil ihre Rente nicht so hoch war, wie sie es gern gehabt hätten, waren sie darauf angewiesen, eine besonders preiswerte Pflegerin zu nehmen. Ihre finanzielle Situation kannte ich nicht genau, aber die Vermutung lag nahe, dass sie streng haushalten mussten.
    Eines Tages war sie in einen Autounfall verwickelt, wobei sie am Rücken leicht verletzt wurde. Zu der Zeit wurde in Deutschland gerade darüber diskutiert, warum so viele Amerikaner keine Krankenversicherung haben und warum der Staat sie nicht einfach dazu zwingt, wie das in Deutschland der Fall ist. Da sagte ich zu ihr, quasi im Auftrag aller Deutschen: »Na? Bist du jetzt froh, dass du versichert bist?«
    »Ich bin nicht versichert«, stellte sie klar.
    Ich wollte wissen, wo sie dann ihre ärztliche Behandlung herkriege, und sie sagte: »Na, in der Notaufnahme. Immer wieder, wenn es sein muss.«
    Unsere Krankenhäuser müssen jedermann per Gesetz in ihren Notaufnahmen behandeln, auch Nicht-Versicherte, auch solche, die angeblich keinen Cent zahlen können (zu Langzeittherapien sind sie allerdings nicht verpflichtet). Das allein stinkt vielen Versicherten: Denn die Kosten werden natürlich auf sie abgewälzt.
    »Aber warum denn nicht? Kannst du dir keine leisten?«, bohrte ich nach.
    »Ich könnte schon«, sagte sie. »Ich will aber nicht. Mein Traum ist es, ein eigenes Haus zu besitzen. Ich habe es auch bereits, ich muss es nur abbezahlen, und ich bin auf einem guten Weg dahin. Wenn ich jetzt noch Geld für eine Krankenversicherung ausgeben muss, dauert es viel länger. Später dann, wenn ich älter bin und das Haus mir gehört, kann ich mich ja immer noch krankenversichern.« Sie schüttelte ihre leicht ergrauten Locken und lächelte aufmunternd: »Ich bin noch jung, mir wird schon nichts Schlimmes passieren!«
    Wir Amerikaner mögen es halt nicht, wenn die Regierung sich in unsere Angelegenheiten einmischt. Allerdings haben die wenigsten von uns auch nur den Hauch einer Ahnung, wie sehr das jetzt schon passiert.
    Am lautesten protestiert gegen den Sozialstaat, diesen »Sozialismus« und alles, was nur entfernt danach riecht, wie gesagt der Westen – vor allem der mittlere Westen, jene Staaten, die ungefähr zwischen den Appalachen und den Rockies liegen. Hier, auf dem idyllischen platten Land, leben Menschen, deren stolze Tradition der Eigenständigkeit nicht wegzudenken ist.
    Das sind die Schlimmsten! Es ist längst nicht mehr der arbeitsscheue Schmarotzer in den Innenstädten, der den Sozialstaat belastet. Es ist der wohlanständige Durchschnittsamerikaner. Zum Beispiel der Familienvater Ki Gulbranson aus Lindstrom, Minnesota.
    Für einen Artikel in der New York Times erklärte Mister Gulbranson, warum er die Tea Party unterstütze: weil er glaube, die Regierung stecke zu viel Geld in den Sozialstaat und die Ausgaben müssten endlich gekürzt werden. Zu viele Amerikaner seien von Almosen des Staates abhängig geworden und wüssten gar nicht mehr, wie man auf eigenen Beinen stehe.
    Mister Gulbranson ist nicht arm. Er betreibt ein Bekleidungsgeschäft, verkauft auch Schmuck und trainiert nebenbei die örtliche Jugendfußballmannschaft. Er und seine Familie verstehen sich als unabhängige, finanziell souveräne Mittelklasse-Amerikaner.
    Trotzdem bekommt er jedes Jahr mehrere Tausend Dollar vom Staat als »earned-income tax credit« – eine Art Subvention für arbeitende Familien; seine

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